Jura Soyfer und die Bedeutung des Arabischen in der europäischen Kultur
Wiss.Dir.Dr. Herbert Arlt
www.soyfer.at
www.arltherbert.at
arlt@soyfer.at
Jura Soyfer (1912-1939) fand bereits zu Lebzeiten eine breite Öffentlichkeit – in Österreich, dem Saarland, England, Ungarn.
Es dauerte Jahrzehnte, bis Soyfer ins Hebräische übersetzt wurde, obwohl sein Name (hebräisch Sofer: Kundiger der Thora) bereits auf eine Notwendigkeit der Übersetzung ins Hebräische verwiesen hätte. Aber die einzige Übersetzung – von Dan Pagis – wurde bisher nicht aufgefunden. Andere Projekte scheiterten an mangelnder Finanzierung.
Aber auch die Übersetzungen ins Arabisch gehören – im Kontext der Übersetzungen von Soyfer in über 50 Sprachen – zu den späten Übersetzungen. Nach meiner Kenntnis war der Pionier ein Palästinenser. Er nahm an einer Veranstaltung zu 10 Jahre Jura Soyfer Gesellschaft in der Österreichischen Nationalbibliothek teil.
Eine wichtige Pionierin war Aleya Khattab, eine Universitätsprofessorin aus Kairo, die mit einer Seminargruppe die Übersetzung des Soyferschen Stückes „Astoria“ erarbeitete.
In diesem Seminar zeigte sich der Unterschied zwischen Europa und den arabischen Ländern auch anhand des Übersetzungsprojektes „Vagabundenlied“. Als eine Gemeinsamkeit in Europa stellte sich der lateinische Wortschatz heraus. Freilich bedeuten die gemeinsamen Wörter – wie im Fall Vagabund – recht unterschiedliches. Daher wurden die Übersetzungen auch in die Edition der Soyferschen Gedichte aufgenommen: http://www.soyfer.at/deutsch/PDF/Edition2012_Inhalt_Bd3.pdf
Es gab auch weitere Projekte der Übersetzung von Soyfer ins Arabische, wobei die Differenzen innerhalb des Arabischen evident wurden. Wie zum Beispiel im Fall der Übersetzung von Soyfer ins Marokkanische.
In Europa wird in diesem Zusammenhang heute von Standardvariationen gesprochen. Diese sind für das Deutsche, Englische, Französische etc. durchaus erforscht. Auch in diesem Zusammenhang spielen aber nationalistische und religiöse Konstruktionen eine Rolle.
Weiters beteiligten sich auch eine Vielzahl von WissenschafterInnen aus arabischen Kulturen an dem Polylog zu Jura Soyfer.
Erst aber mit Rania Elwardy, einer Assistenzprofessorin aus Kairo, konnte eine breitere Öffentlichkeit in arabischen Öffentlichkeiten erreicht werden.
Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang ihre Beteiligung am internationalen Polylog nicht nur zu Soyfer, ihre Übersetzungen, ihre wissenschaftlichen und publizistischen Leistungen, die Ausstellung im Österreichischen Kulturinstitut in Kairo und auch das Zustandekommen dieser virtuellen Konferenz.
Da ich mich bei meinem Zugang zu arabischen Öffentlichkeiten auf Übersetzungen bzw. Übersetzungsmaschinen, Sekundärliteratur verlassen muss, kann ich zum eigentlichen Thema nur so viel beitragen, als es unmittelbare Kontakte mit der Jura Soyfer Gesellschaft gab.
Dokumentiert sind diese Übersetzungen im Rahmen der Publikationen der Jura Soyfer Gesellschaft bzw. im Rahmen des Virtuellen Soyfer Archivs bzw. Jura Soyfer Online Access: http://www.soyfer.at/archiv/
Sie sind aus meiner Sicht ein Teil des Versuches, eine Verständigung zwischen Welten zu schaffen, wie dies von großen WissenschafterInnen und KünstlerInnen in Europa immer wieder versucht wurde. Dazu zählen Mozart, Goethe und viele andere, die wussten, dass die europäische Kultur in zentralen Teilen auf arabischen Leistungen basiert. Schon der Begriff „arabische Zahlen“ verweist darauf. Auch die Algorithmen, die mehr und mehr an Bedeutung in Europa und weltweit gewinnen, sind aus dem Arabischen in die Europäische Kultur integriert worden. Aber nicht nur im Bereich der Mathematik, auch in der Medizin, den Lebensmitteln, den Getränken, der Sprache geht vieles auf den „Orient“ zurück. Und diese „Importe“ gehen über das Arabische und das Nordafrikanische hinaus. Sie verweisen auf den polyphonen Charakter der europäischen Kultur.
Auf diese Bedeutung des Arabischen, des Orients wurde immer wieder im Rahmen der 8 Weltkonferenzen verwiesen, die ich im Rahmen des gemeinnützigen Vereins INST (www.inst.at) organisierte.
Im Mittelpunkt dieser Weltkonferenzen, deren Erste 1999 in der UNESCO Zentrale in Paris stattfand, standen immer wieder Our Creative Diversity (ein Dokument der UNESCO aus dem Jahre 1995) sowie das Verbindende der Kulturen [ http://www.inst.at/burei/CBand1.htm ] im Mittelpunkt.
Gerade mit diesen Konferenzen ging es auch darum, die Instrumentalisierung der Kulturen zu beenden, wie sie vor allem seit dem 19. Jahrhundert eine Rolle spielten, nachdem Massenpropaganda und Kriegsführung immer mehr miteinander verwoben wurden.
In diesem Kontext der Kriegspropaganda entstanden die Instrumentalisierungen der Kulturen, die Konstruktion der Bedeutung von Stämmen und sogenannten Nationalkulturen.
Aber bereits in früheren Zeiten hat zum Beispiel Erasmus von Rotterdam im Zusammenhang mit den Türken darauf verwiesen, dass die Hetze, die Fehldarstellungen nicht der Realität entsprechen, sondern dem Krieg dienen: http://www.steiner-verlag.de/reihe/view/titel/61369.html Und auch wenn der Begriff Fake News ein neuer Begriff ist, so ist doch der Inhalt, den er bezeichnet, ein Übel, das schon länger dokumentiert werden kann.
Auch bei Soyfer spielen die Polemik gegen die Kriegspropaganda, die poetischen Gegenentwürfe eine gewichtige Rolle. Das ist etwas, was ihn mit großen Poeten aus arabischen Ländern, dem Orient verbindet. Auch die Bedeutung, die er der Sprache zumisst, ist in arabischen Ländern ebenso zu finden wie in seinem Werk. Mehrfach wurde darauf verwiesen.
Aber es gibt auch andere verbindende Elemente, die überraschend sein dürften. So spielt in Soyfers Werk der Weihnachtsbaum immer wieder eine Rolle, der in Europa auf den ägyptischen Lebensbaum zurückgeht. Auch dies eine der (vielen) Traditionen, die im Zuge der organisierten Feindseligkeiten nicht mehr in der Öffentlichkeit präsent sind.
Es gibt also im Rahmen dieser Konferenz im Sinne Jura Soyfers viel zu entdecken. Sein politisches Engagement führte dazu, dass er am 16.2.1939 mit 26 Jahren im Konzentrationslager Buchenwald als politischer Jude ums Leben kam. Eingesetzt hat Soyfer sich im Sinne des Internationalismus für die Menschenrechte, im Sinne der Friedenskultur für die Abwendung des Weltkrieges, für eine soziale Demokratie im Kontext einer Revolution in Wissenschaften, Künsten, Industrie, die nur wenigen zugute kam.
In meinem bisherigen Leben wurde es mir ermöglicht, in rund 120 Ländern mit Vorträgen (darunter neuerdings via Skype), Ausstellungen, Symposien, Konferenzen etc. präsent zu sein. Dazu zählt für die Jura Soyfer Gesellschaft seit 1998 auch eine Homepage.
Die Internetarbeit wurde 2019 in vier Broschüren + 4 DVDs dokumentiert: http://www.inst.at/at/dokumentationen-homepages/ Das ist ein Kreis von etwa 10.000 WissensproduzentInnen, der mitwirkte und sich auch heute noch engagiert.
Ich freue mich, dass mit dieser virtuellen Konferenz wieder neue Möglichkeiten eröffnet werden. Denn erst im Polylog mit Menschen erschließen sich auch andere Länder.
In diesem Sinne besten Dank an alle, die sich beteiligen bzw. diese wichtige virtuelle Konferenz in einer Zeit unterstützen, da Kriege wieder vieles zerstören und auch in Europa wieder aufgerüstet wird.