Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein herzliches Willkommen in der VHS Leberberg. Mein Name ist Christine Pig, ich bin die Direktorin der VHS Simmering, zu der die Zweigstelle Leberberg gehört, und es ist schön, Sie zum diesjährigen Jura Soyfer Symposion 2019 begrüßen zu dürfen!
Jura Soyfer war der vielleicht wichtigste österreichische Dichter der Zwischenkriegszeit und zählt zu den bedeutendsten Literaten des 20. Jahrhunderts. Er verband stets politische Anliegen mit Elementen des Volkstheaters, schrieb für Zeitungen und Zeitschriften, verfasste Satiren und Songtexte, Theaterstücke sowie einen Roman. Eines seiner letzten Stücke verfasste er 1937 – die Politsatire „Astoria“. Und welches Stück würde besser zum heurigen Motto des Jura Soyfer Symposions „Fake News“ passen als dieses!
„Astoria“ beschreibt genau diese Grenze zwischen Wirklichkeit und Märchen, Fakten und Fake. Soyfer schrieb das Stück auf Grund einer Zeitungsnotiz, nach der eine Bande von Schwindlern durch Gründung einer imaginären „Astorischen Gesandtschaft“ in London leichtgläubigen Menschen Geld aus der Tasche gezogen hatte.
Astoria ist ein erfundener Staat, der nur durch ein paar Pressemeldungen und einem fingierten Finanzsystem besteht. Sein Erfolg ist allerdings kaum zu übertreffen – die Nachricht des idealen Staates macht schnell die Runde, jeder will dorthin, alle wollen nach Astoria! Doch Astoria setzt auf eine totalitäre Anti-Einwanderungspolitik und selbst die überzeugtesten Demokraten geben fürs Dabeisein alles auf, was ihnen einmal viel bedeutete.
Es soll sie immer wieder geben, die findigen Geschäftemacher, die versuchen, heiße Luft zu verhökern. Und auch in der Politik hatten und haben windige Wortakrobaten, die kaum mehr anbieten als die Aussicht auf einen Traum, Konjunktur. Manch besonders geübter Märchenerzähler soll es sogar in Regierungsämter geschafft haben. Mit bisweilen katastrophalen Folgen – aber nachher ist man bekanntlich immer klüger. Einer, der vieles kommen sah, als andere noch verharmlosten, war Jura Soyfer. Zeit seins Lebens setzte er sich für soziale Gerechtigkeit ein und kritisierte nicht nur Bürokratie und Beamtenwesen, sondern auch die Leichtgläubigkeit der Menschen sowie die Herrschaftshörigkeit der Medien (zitiert nach TT 13.5.2019).
Gerade deshalb ist in Zeiten wie diesen die Beschäftigung mit Jura Soyfer umso wichtiger, mit Sicherheit ist er der politischste Dichter, und ich bedanke mich bei Herbert Arlt für sein großes Engagement um Jura Soyfer, die Jura Soyfer Gesellschaft und das Jura Soyfer Zentrum am Leberberg. Ich wünsche dir, Herbert, und Ihnen allen gutes Gelingen für das diesjährige Symposion!