Grußwort Nationalratspräsident Mag. Wolfgang Sobotka

Jura Soyfer war ein Mann mit einer bewegten Lebensgeschichte, die in ihrer Einzigartigkeit doch exemplarisch für so viele Schicksale während der Zwischenkriegszeit und des Naziregimes steht.

Er erlebte die Zwischenkriegszeit in Wien und wurde schließlich kurz nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich beim Versuch bei Bludenz die Grenze in Richtung der Schweiz zu überqueren, verhaftet. Nach Gefängnisaufenthalten in unter anderem Feldkirch und Innsbruck wurde er ins KZ Dachau und schlussendlich in das KZ Buchenwald verlegt, wo er am 16.2.1939 in noch jungen Jahren an Typhus verstarb.

Sein literarisches Hauptwerk, das noch heute einen Blick zurück in diese angespannten Jahre des Umbruchs erlaubt, verfasste er in der Zeit zwischen 1933 und 1937. Auch wenn teils nur Fragmente seines Werks erhalten sind, so ermöglichen sie uns die Welt von damals durch die Augen eines begabten jungen Schriftstellers zu sehen, der die Fähigkeit besaß, alle Ereignisse in einen politischen und gesellschaftlichen Kontext zu setzen. Wir betrachten sie heute mit dem Wissen, das uns die Geschichte vermittelt hat und können Lehren für unser heutiges Zusammenleben daraus ziehen.

 In meiner Funktion als Nationalratspräsident ist der Kampf gegen den in unserer Gesellschaft nach wie vor präsenten Antisemitismus eines meiner wichtigsten Anliegen. Es braucht in Österreich eine tiefgreifende und umfassende Antisemitismusforschung, um neben den Wurzeln auch nachhaltig wirksame Gegenmaßnahmen zu identifizieren. 2018 habe ich die erste umfassende Antisemitismusstudie in Auftrag gegeben, aus der als erste zentrale Maßnahme das Schulungsprogramm „Bildung gegen Vorurteile“ abgeleitet werden konnte. Dieses Programm richtet sich gezielt an junge Menschen der 9. Schulstufe und soll Bewusstsein für Antisemitismus, Rassismus und Intoleranz in jeglicher Form schaffen und – gerüstet mit den Erfahrungen aus der Geschichte – den respektvollen Umgang mit den Mitmenschen und unterschiedlichen Meinungen in der Gesellschaft vermitteln.

Die Holocaust-Forscherin Deborah Lipstadt formuliert treffend: „Jüdinnen und Juden sind so etwas wie der Gradmesser der Gesellschaft. Wer sie angreift, greift alle demokratischen Werte an.“

 Daher braucht es auch den Schulterschluss auf europäischer Ebene, um Antisemitismus in all seinen Formen aktiv zu bekämpfen. Ich stehe hier in engem Austausch mit den Parlamentspräsidenten der Länder der Europäischen Union und darüber hinaus, habe mich vor einigen Wochen mit der Antisemitismusbeauftragten der EU – Katharina von Schnurbein – ausgetauscht und werde jede Anstrengung unternehmen, aktiv gegen Intoleranz und Diskriminierung Andersdenkender aufzutreten.

Für das 28. Soyfer Symposium darf ich Ihnen allen inspirierende Momente, aufschlussreiche Diskussionen und einen regen Austausch im Lichte des literarischen Werkes von Jura Soyfer wünschen.  

Mit besten Grüßen,

Wolfgang Sobotka
Nationalratspräsident