Jura Soyfer und das Jahr 1918

Im Rahmen des 27. Jura Soyfer Symposions wird es einerseits um neue Formen der Öffentlichkeitsarbeit gehen: eine Broschüre mit DVD zur Homepage, die Bespielung von Theaterorten in Simmering (darunter im Rahmen eines Soyfer Theater Festivals). Andererseits aber wird es auch um die Bedeutung der Literatur, des Theaters, der Fotographie etc. im Jahre 1918 gehen und der neuen Möglichkeiten, die heute zu beobachten sind.
In diesem Sinne ist das Symposion auch im Veranstaltungskalender zu 100 Jahre Republik Österreich enthalten, dessen Erstellung in die Verantwortung von Bundespräsident a.D. Dr. Heinz Fischer fällt.
Auffallend ist, welch zentrale Rolle im Rahmen der Veranstaltungen – zum Beispiel der Ausstellung Die erkämpfte Republik im Museum am Karlsplatz – der Literatur, den Künsten zufällt. Einer der AutorInnen, der für die Darstellung der Auseinandersetzungen in Wien, in Zentraleuropa von zentraler Bedeutung ist, ist Jura Soyfer. Das zeigten in den vergangenen Jahrzehnten unter anderem die Lesungen von Helmut Qualtinger (auf CDs herausgegeben vom ORF gemeinsam mit der Jura Soyfer Gesellschaft), die Konzerte, die Schallplatte bzw. nun die CD der „Schmetterlinge“, hunderte Schultheateraufführungen, Aufführungen an großen Theatern.
Helmut Qualtinger hat in diesem Kontext das Vorspiel des Romans So starb eine Partei hervorgehoben, in dem die Gründung der Republik aus der Sicht eines ängstlichen, verhinderten Aufstiegswilligen gezeigt wird. Und auch deren Zerschlagung mit Gewalt wird aus dieser Perspektive vorweggenommen:
Aus Vorsicht war Zehetner Mitglied verschiedenster Vereine und Parteien. Trug er am Rockaufschlag das Abzeichen aller heimattreuen und christlichen Männer, so befand sich in einem Geheimfach seiner Brieftasche eine Mitgliedskarte, die ihn als deutschbewußten Arier legitimierte. Denn zwar war ihm die plebejische Art dieser Partei (die sich geschmackloserweise Arbeiterpartei nannte) wie überhaupt alles Preußische tief zuwider. Aber die Braunhemden durchzogen die Stadt schon so selbstbewußt, als ob es Berlin wäre, und ihr ‚Deutschland erwache!“‚ erfüllte täglich die Straßen. Und hatten sie drüben im Reich auch kürzlich eine Wahlniederlage erlitten, waren ihre Stimmen bei den Wiener Gemeinderatswahlen gewaltig emporgeschnellt. (Soyfer Edition 2012, Bd.2, S.17.)
Dieser Zehetner, ein Maschinenmeister eines der großen Wiener Bahnhöfe, besaß auch eine Mitgliedskarte der Partei, die er fürchtete: der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP). Zehetners Erinnerung nach 14 Jahren Republik im Jahre 1932:
Heimkehrten in überfüllten Zügen die meuternden Soldaten des verlorenen Weltkrieges. Auf den Wagondächern hockten sie scharenweise, in brüllenden Dolden hingen sie über die Trittbretter. Trugen die Gewehre vorschriftswidrig mit dem Kolben nach oben, gehorchten keinem Kommando mehr, pfiffen auf Gott und Kaiser, glaubten an kein Vaterland: oder es tauchte das Gerücht von einem jener neuen Vaterländern auf, die täglich auf den Straßen ausgerufen wurden: in Prag in Budapest, in Laibach oder sonstwo […].
Mit Soyfer aber geht es nicht nur um historische Perspektiven: Man entdeckt die eigene Gegenwart, wenn man die Vergangenheit entstaubt.
Die Zeit nach 1945 ist anders verlaufen. Es gab Aufstiegschancen. Es gab einen Ausgleich von Interessen. Aber wieder wird versucht, die republikanischen Errungenschaften zu beseitigen. Seit einigen Jahren gibt es Versuche, „Bürgerwehren“ zu bilden. Die Sicherheitsapparate sollen nicht nur umgefärbt werden. Statt „Weniger Staat, mehr privat“ geht es nun um mehr Staat in allen privaten Bereichen. Die Bildungschancen werden verringert. Um die Darstellung der Vergangenheit wird gekämpft.
Mit einer Lesung aus dem „Vorspiel“ hatte Helmut Qualtinger 1979 im Auditorium Maximum der Wiener Universität gemeinsam mit den „Schmetterlingen“ die Soyfer Renaissance eingeleitet. Heute ist Soyfer in über 50 Sprachen übersetzt. Aber in Wien, in Österreich steht die Entdeckung des Romans, von dem bisher nur Fragmente aufgefunden wurden, gerade jetzt wieder an.

Kontakt:
Wiss.Dir.Dr. Herbert Arlt
www.soyfer.at
Vorsitzender
arlt@soyfer.at
Wien
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