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Nr.
2/2000 |
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Editorial | Wenn der Schwerpunkt dieser Nummer
den Darstellungen des Grauens gewidmet ist, so geschieht dies in einem Kontext,
in dem einerseits "schwarzes Denken" als Teil eines "üblichen"
Diskurses wieder eingeführt werden soll, andererseits in einer Zeit,
da die Schrecken gewalttätiger Auseinandersetzungen, von Terror und
Krieg zum Teil ihre Wirkungen verloren zu haben scheinen. Grauen ist nicht an sich vorhanden, an eine bestimmte Form der Darstellung oder des Ereignisses geknüpft. Grauen (horror), so wird übereinstimmend in dieser Nummer festgestellt, ist eng mit gesellschaftlichen, zivilisatorischen Entwicklungen verbunden. Umso erschreckender ist für alle, die sich mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts in Hinsicht auf Möglichkeiten der Vermeidung von Gewalt befassen, die Ankündigung einer Veranstaltung mit dem Titel "Die Rückkehr des Krieges" in der Tageszeitung "Die Presse" (Wien) am 7.5.2000. Unter dieser Überschrift heißt es in der "Presse", die Mitveranstalterin ist: "Wurde Krieg in den Siebzigern und Achtzigern nur unter dem Aspekt der Friedensbewegung thematisiert, so gelte nun die bewaffnete Konfrontation wieder als politische Option...." (S.33). Gemeinsam mit dem Titel der Veranstaltung - "Der Vater aller Dinge - Nachdenken über den Krieg" - legt dies nahe, daß es sich dabei um eine Rechtfertigungsveranstaltung für heutige Kriege handle. Um diesem, offensichtlich von nicht wenigen geteilten Eindruck zu entgehen, wird in einer nachgeschobenen Informationsaussendung Konrad Paul Liessmann, der "Leiter" der Veranstaltung, folgendermaßen wörtlich zitiert: "Wir sprechen über ein widerspruchsvolles Phänomen. Wir erleben Staaten vor dem Dilemma, Krieg abzulehnen und ihn führen zu müssen; wir sehen den Menschen mit seiner Friedenssehnsucht und Brutalität, zu der er im Krieg fähig ist. Gerade weil in diesem Thema [sic] so viele Widersprüche zu finden sind, werden es die Referenten aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln angehen." Von einer Annäherung an ein komplexes Widerspruchsfeld kann aber laut Veranstaltungsfolder keine Rede sein. Auch wenn man dem Rhetoriker und Recycler Liessmann zugestehen könnte, daß die Titelwahl nicht in der Tradition jener nach 1945 steht, die sich immer auf die Antike beriefen, wenn es um Verbrechen im 20. Jahrhundert ging, daß das Zitat in der Tradition der Kriegsrechtfertigung ohne Fragezeichen als kleine Provokation gemeint sein könnte, um ein bißchen mehr mediale Aufmerksamkeit zu erlangen, so verbleibt die Einseitigkeit der Anlage der Veranstaltung. Schon die Darstellung Liessmanns ist abstrus. Als ob die Menschen mit Friedenssehnsucht und die Gewalttätigen dieselben wären und sich daraus ein widersprüchliches Phänomen ergebe. Ganz zu schweigen davon, daß der Krieg an sich keinerlei Innovation mit sich bringt (s. den Beitragstitel "Krieg und Innovation"), sondern nur Zerstörungen (wobei es nicht nur um Vandalismus geht). Es scheint zudem kein Zufall gewesen zu sein, daß Liessmann ein derartiges Thema gewählt hat. Ist er doch an der gegenwärtigen Wiederbelebung des "schwarzen Denkens" nicht unmaßgeblich beteiligt. Das reicht von der Verteidigung der Familienpolitik der heutigen Regierung bis zur Betonung der Bedeutung medizinisch-wissenschaftlicher Ergebnisse in Konzentrationslagern. Ein Denken, das den Tod einschließt. Aber nicht im Sinne von Coetzee, sondern im Sinne "antiker" Todesphilosophien verbunden mit der Aufforderung zur Nicht-Erkenntnis des Vergangenen (s. Wespennest 116, 4/1999, S.102ff.). Gut paßt in den Gewaltkontext auch die Landschaftsbeschreibung im Veranstaltungsfolder: "Lech am Arlberg ist ein idealer Ort für philosophische Gespräche und Reflexionen. Die Freiheit der hochalpinen Landschaft und eine hochwertige Infrastruktur erlauben intensivere Formen der Kommunikation und Diskussion, als dies anderswo möglich wäre...". Wer einmal das Bild dieser Landschaft vor Augen hatte - verunstaltet von Liftanlagen, Hotels aus Glas, Stahl und Beton -, weiß, von welcher "Freiheit" die Rede ist. Nun wäre eine derartige Veranstaltung nicht weiter zu beachten, wenn nicht ausgerechnet die Bundesministerin Elisabeth Gehrer, die vor kurzem noch die Friedensausstellung in Schlaining eröffnete, für diese Veranstaltung als "Schirmherrin" fungieren würde und wenn nicht Liessmann laut Medien der "Lieblingsphilosoph" des heutigen österreichischen Kanzlers wäre, der sich nicht wenig in Fragen der Militärpolitik engagiert ... |
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