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Editorial
Dagmar C. G. Lorenz (Chicago)
Literatur und Zivilgesellschaft
Manfried Welan (Wien)
Zivilgesellschaft und Verfassung
Herbert Arlt (Wien)
Zivilgesellschaften und Kulturgesellschaften
Dokumentationsgespräch mit Eva Glawischnig
"... daß Mitbestimmung, Demokratie auch eine der Grundsäulen
der österreichischen Gesellschaft sein sollte."
Dokumentationsgespräch mit Emil Brix
"Wege zur Civil Society in Österreich"
Dokumentationsgespräch mit Ferdinand Lacina
"Ob das schon ausreicht, was es bisher an Ansätzen gibt, ist
noch offen..."
BERICHTE
BeiträgerInnen dieser Ausgabe / Berichte / Rezensionen
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Editorial |
Der Schwerpunkt dieses Heftes
ist dem Thema "Zivilgesellschaft" gewidmet. Im Rahmen der Beiträge
und der Dokumentationsgespräche wird auf sehr unterschiedliche Traditionen
und Begriffe verwiesen. Eine Auffassung ist jedoch allen Beiträgen
gemein: daß Pluralität, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
von grundlegender Bedeutung für die Charakterisierung und Entwicklung
einer Zivilgesellschaft sind.
Ausgangspunkt für die Themenwahl waren Diskussionen zum Begriff
Zivilgesellschaft in den letzten Jahren, die mit Entwicklungen in Europa,
aber auch anderen Staaten verbunden waren. Dramatisch zugespitzt hat sich
die Diskussion nach dem 4. Februar 2000 in Österreich. Vieles von
dem, was befürchtet und angekündigt wurde, ist nicht eingetreten
bzw. wurde auch von den oppositionellen Kräften nicht umgesetzt (vgl.
dazu auch einige Materialien im Buch von Gerald Raunig: "sektor3/kultur",
das in dieser Ausgabe rezensiert wird). Andererseits spitzt sich gerade
in den Tagen der Herausgabe der Zeitschrift die Lage nochmals deutlich
zu. Offen wird die Beugung des bzw. der Bruch mit dem Rechtsstaat(es)
im Zusammenhang mit der sogenannten "Spitzelaffäre" gefordert.
Mit den "Roten" (sprich: FPÖ-Gegnern) solle endlich aufgeräumt
werden. Diejenigen, die seit Jahren Machtpolitik an und für sich
verbal praktizieren, fordern nun reale machtpolitische Schritte. Vor diesem
Hintergrund erscheint etliches in einem anderen Licht, das in den letzten
Monaten in diversen Zeitungen zu lesen war und unmittelbar mit den Möglichkeiten
und Grenzen von Zivilgesellschaften verbunden ist. Dazu einige Beispiele,
aber auch Aspekte:
- Für Egon Matzner (Die Presse, 21.10.2000) sind jene Intellektuellen
am negativen Österreich-Bild im Ausland schuld, die sich heute,
aber auch in den vergangenen Jahren kritisch zur Rechtspolitik in Österreich
(insbesonders in ihrer extremen und in der Vergangenheit auch schon
staatsterroristischen Ausprägung) geäußert und diese
als aktuelle Bedrohung empfunden haben. Ihre Kritik wird als grundlos
dargestellt, obwohl bereits bis im Oktober die nicht gerade geringe
Anzahl der Klagen gegen Intellektuelle, die unverblümten Versuche
materieller Einschränkungen und sogar Gewaltakte doch andere Schlußfolgerungen
zulassen müßten.
- Für Robert Menasse ist der Weisen-Bericht, der sich mit der Lage
in Österreich auseinandersetzt, ein Nicht-Bericht. Seinem Hang
zu "dialektischen" Konstruktionen folgend, sei der "Weisheit
letzter Schluß" stets - und so auch in diesem Bericht -:
"Es ist, wie es ist!" (Der Standard, 15.9.2000.) Die Kritik
vor allem an der FPÖ und insbesonders dem FPÖ-Justizminister,
die im Bericht als notwendig erkannten Veränderungen werden damit
weggewischt. Denn der Bericht paßt nicht ins Schema jener Veränderung,
die sich Menasse durch die Wende als Voraussetzung für eine andere
Wende gewünscht hat.
- Konrad Paul Liessmann, einer der Wende-Intellektuellen (aber noch
nicht wie der Philosoph Burger in diesen Zeiten mit einem Staatspreis
geehrt), fordert das Humboldtsche Modell für die österreichischen
Universitäten (Der Standard, 14.10. 2000). Fast scheint es so,
als ob er in der Ablehnung bisheriger Reformen und in der Befürwortung
der Wende auch den autoritären Teil des Humboldtschen Modells,
der dem Staat Dominanz über Wissenschaft einräumt, einschließt
(heute sind ja sogar Formulierungen wie "Forschung im Regierungsinteresse"
öffentlich nachzulesen). Doch auch dies wäre noch keine "bürgerliche
Politik" (die Liessmann gegen die jetzige Regierungspolitik ausspielt),
sondern eine rechte (staatsautoritäre) Politik, die den Wissenschaften
noch nie förderlich gewesen ist.
- In einem Gespräch mit Hans Rauscher (Der Standard, 28.10.2000)
formuliert Hans Igler, "lange Industrie-Präsident": "
[...] es muss jetzt einmal klargestellt werden, dass es drei brauchbare
Parteien in Österreich gibt, ÖVP, SPÖ, FPÖ. Das
bedeutet: Man muss den Haider vergessen." Zugleich fordert er zum
Beispiel die Beseitigung aller Mitbestimmungsstrukturen an den Universitäten.
Die Entdemokratisierung und soziale Umverteilung soll also im Konsens
kommen (wofür Igler offensichtlich die Grünen als nicht gewinnbar
ansieht) - und nicht durch Polarisierung.
- Es gab einmal einen Schriftsteller, der formulierte, daß Schriftsteller
keine Bittsteller seien. Dies scheint nun im Zusammenhang mit der neuen
Regierung nicht mehr zu gelten. Vielmehr haben die BittstellerInnen
"bis jetzt schon viel für Kolleginnen und Kollegen erreicht
[...], gewiß mehr, als andere unter wesentlich günstigeren
budgetären Umständen ausgehandelt haben." (Die Presse,
1.8.2000, S.22.)
- Damit kommen wir zu einigen Aspekten: Alle diese Aussagen zeigen,
daß es nicht wenigen immer noch nur um Rhetorik geht und alles
Rhetorik zu sein scheint. Daß aber eine Rechtspolitik unter Einschluß
der FPÖ keine "bürgerliche Politik" im Sinne zum
Beispiel großer Ideale aus dem 18. oder 19. Jahrhundert sein kann,
wird dabei völlig "vergessen". Alte, reaktionäre
Modelle werden recycelt und als moderne Politik ausgegeben. Entsprechende
Folgen sind für Österreichs Zukunftsfähigkeit zu erwarten.
Der Bruch des Dialogs wird sich nicht "ausgezahlt" haben.
Und Andreas Unterberger, einer derjenigen, die die Wende mit herbeigeschrieben
haben, titelt nun am 21.10.2000: "Mit Ablaufdatum?" Ein langes
Leben dieser Regierung beurteilt der Chefredakteur der Tageszeitung
"Die Presse" auch aufgrund der Regierungsdauer anderer "bürgerlich
dominierte[r] Regierungen" skeptisch.
Aber wird ein neuerlicher Regierungswechsel eine Stärkung der Zivilgesellschaft
ermöglichen? Und welcher? Und unter welchen Voraussetzungen? Auf
diese Frage scheint es noch keine schlüssigen Antworten zu geben.
Vor allem auch deshalb, weil eine Analyse der Gegenwart bisher in keiner
Weise adäquat gefördert wird. Die Anzahl derer aus verschiedenen
Bereichen, die eine Politik der Polarisierung, eines autoritären
Staates, einer Einschränkung der Öffentlichkeit, einer Entkulturalisierung
nicht wünschen und Dialog, Analyse, demokratischere Entscheidungsprozesse
öffentlich einfordern, scheint aber zuzunehmen...
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