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2/2003 |
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Modernisierungen und Bilder Wie schaut Geschichte aus dem Blickwinkel des "einfachen"
Menschen aus An den Gestaden des MAK Individuelle und kollektive Zeichenproduktion. Mariana Lazarescu (Universität Bukarest) Rezension: Gewalt in Reflexion und Anwendung. Zum Stück "Hirntod" von Egon A Prantl
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Editorial | Nach den bisherigen archäologischen Funden sind die Bilder wesentlich früher zur Selbstverständigung und für Mitteilungen zwischen den Menschen verwendet worden als Schriftzeichen. Mit der Schrift aber kam die Umwälzung in der Information, der neuen Umwandlung von Information in Wissen und Produktion. In diesem Prozess hat sich die Rolle der Sprache und der Zeichen auch oft verselbständigt. Wie Umberto Eco nicht nur in seinem ausgezeichneten Buch "Die Suche nach der vollkommenen Sprache" zeigt, wird zum Teil versucht, durch spezifischen Umgang mit Sprache Welt zu erschaffen. Dabei spielt die Wechselwirkung der Sprache mit Bildern auch eine wichtige Rolle. In Österreich zeigte sich dies (nicht erstmals) im Jahre 2002 als anlässlich des UN-Jahres der Berge das Bundeskanzleramt in eine Berglandschaft verwandelt wurde (s. "Realität und Virtualität der Berge", 2002, S.23). Das korrespondiert unmittelbar mit der derzeit herrschenden Rhetorik, in der gegen "Besitzstandsverteidiger" argumentiert wird, während der Besitz von wenigen vermehrt wird, aus Gegenreform im Sozialbereich rhetorisch "Reformen" werden, aus dem Versuch, sich internationalen militärischen Interventionen anzuschließen – eine Sicherheitspolitik. Eine Politik, die aber nicht von allen mitgetragen zu werden scheint, wie eine Anzeige der "Politischen Akademie der ÖVP" auf Seite 1 des "Standard" vom 16. Jänner 2004 zeigt: "No More Blackouts!/Gerechtigkeit & Nachhaltigkeit/Eine Absage an Egoismus, vordergründiges/ Konsumdenken und kurzfristiges Profitstreben" (freilich gibt es zum "Egoismus" bereits bei Soyfer Gedichte, die eine derartige Rhetorik nicht in der Tradition demokratischer Bestrebungen sieht). Doch ebenso wie viele Regierungen die Welt als Welt der (gedrehten) Sprache begreifen und derartige Instrumentalisierungen in der Vergangenheit auch "Erfolg" hatten (siehe den Nationalismus des 19. Jahrhunderts, der weitgehend aus Konstrukten besteht), der "Erfolg" aber auf Gewalt und Krieg basierte, so ist auch die Kritik an diesen Regierungen zum Teil weit von empirischen Realitäten entfernt. Ein gutes Beispiel dafür ist Robert Menasse, geehrte durch viele Preise und auch stets im "Standard" beachtet und abgedruckt. Gerade eben läuft ebendort eine Diskussion, die sich wieder an einem Konstrukt von Menasse orientiert, obwohl nicht nur sein Schriftstellerfonds oder seine Ausführungen zu "Dead Man Walking" gezeigt hatten, welche Folgen es zeitigt, sich an bloßen Konstrukten zu orientieren. Und von dieser Methode der Weltinterpretation und Welterschaffung verabschiedet er sich leider nicht "lachend" (wie Richard Reichensberger seine Fähigkeit zur Selbstironisierung und seine Lernfähigkeit charakterisierte). In dieser Nummer der Zeitschrift "Jura Soyfer" soll dagegen auf Transformationen aufmerksam gemacht werden, die den Diskussionslinien nicht entsprechen – den Transformationen in der Landwirtschaft (zu denen es das ausgezeichnete filmische Kunstwerk "Die Alpensage" von Peter Turrini und Wilhelm Pevny gibt), die Auseinandersetzungen von Kunst mit Urbanisierungen (siehe die Bilder von Elke Schönberger), die Auseinandersetzung mit der Welt der Zeichen (Jeff Bernard, der zwar mit einem Titel durch die Ministerin gewürdigt wurde, dessen Geldmittel aber – wie von vielen Vereinen – radikal zusammengestrichen wurde) und ein Beitrag zum Verhältnis Sprache (Literatur) und Bilder (Film) von Marianna Lazarescu, die viel dazu beigetragen hat, eine andere Moderne (Österreich, Deutschland, USA) in Rumänien bekannt zu machen. Auch in diesen Fällen gibt es eine interessante Beziehung zum Verhältnis von Bildern und Sprache – bei Wilhelm Pevny, beim Prozess den Film zu strukturieren, bei Elke Schönberger, die zusammen mit Reinhold Schrappenender den Begriff Homo Communicans geprägt hat, der sich auf der Titelseite des 38. Bandes der Schriftenreihe der Universität Rousse (2001) wiederfindet, bei Jeff Bernard, der seit Jahrzehnten eine grundlegende Arbeit in der Entdeckung der Welt der Zeichen und Bilder leistet. Ausgeprägt beschrieben wird dies im Beitrag von Mariana Lazarescu aus Bukarest, die es uns ermöglicht, Elemente der Entwicklung der Auseinandersetzung mit Sprache und Bilder in Rumänien zu verstehen. Auf anderes kann hier nur verwiesen werden, weil schlicht die Geldmittel fehlen, aber es immerhin noch möglich ist, zumindest andere Ansätze aufzuzeigen. Zunächst sei darauf verwiesen, dass unsere Weltanschauung wesentlich von Karten geprägt ist. Bei Soyfer formuliert Shaw im Stück "Astoria": "Geographie ist ein politisches Argument, aber kein Beweis." (Soyfer, 2002, BD. II, S.153.) Historisch dargestellt wird dies von Jeremy Black in "Maps and History. Constructing Images of the Past" bzw. von Norman J.W. Thrower in "Maps and Civilization. Cartography in Culture and Society. Und diese Art der Weltbeherrschung drückt sich dann auch in der Verwendung der Bilder aus. Als Beispiel dazu sei das Buch "Kilimanjaro" von David Pluth, Mohamed Amin und Graham Mercer angeführt. Die verwendeten Fotographien folgen der Ästhetik des 18. und 19. Jahrhunderts (bzw. sind auch Bilder aus der Zeit der Kolonisierung im 19. Jahrhundert). Wir sehen den Kilimanjaro als felsigen Berg mit einer Schneehaube, sehen die Bewohner in der traditionellen Kleidung, obwohl der Text auf ganz anderes verweist. Immerhin wohnen 840.000 Menschen an den Abhängen des Kilimanjaro. Diese "Dschagga" genannten Menschen werden als Stamm charakterisiert, obwohl der Kilimanjaro seit mindestens 2000 Jahren bewohnt ist (Menschen gab es in dieser Region bereits vor der Entstehung des Kilimanjaro). Die wesentlichsten Einwanderungswellen erfolgten in den letzten 400 Jahren, die Selbstidentifikation unter dem Namen "Dschagga" erst zur Zeit der Kolonialisierung. Und nichts, was modern ist in dieser Region, wird gezeigt. Obwohl also die Welt vermessen ist, von Satelliten aus die Marke einer Zigarette erkannt werden kann, scheint es oft so, dass es nicht möglich ist, sich ein Bild von der nächsten Umgebung zu machen – ganz zu schweigen von anderen Weltteilen. Bei Soyfer finden sich bereits in den 30er Jahren alternative Betrachtungsweisen, die zum Teil auch Konstrukten folgten. Aber es gibt wohl bis heute kein besseres Theaterstück zum Verhältnis von Virtualität und Macht in Zeiten der Transformationen mit ihren Brüchen als "Astoria". Ein Stück, das es ebenso wiederzuentdecken gilt wie ein wenig mehr Empirie bei der Weltanalyse nicht schaden könnte. |
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