Zum 32. Soyfer Symposion
Jura Soyfer Edition 2012
Programm
Diese Seite dient der Einleitung zu einem Polylog zu komplexen Themen im Rahmen des 32. Soyfer Symposions: wissenschaftliche Vorträge, Präsentationen, Theateraufführungen, interaktive Beteiligungen im Rahmen des Jura Soyfer Channels. Sie geht zurück auf eine Ausbildung in Germanistik und Geschichte an der Universität Salzburg, die mit den Traditionen der Verharmlosung des Austrofaschismus und Nationalsozialismus brach, trotz der zum Teil Nachteile der Lehrenden für ihre Karrieren (Rudolf G. Ardelt, Gerhard Botz, Hans Haas, Ernst Hanisch, Hans Höller, Karl Müller, Herbert Steiner, Erika Weinzirl, Walter Weiss, Klaus Zelewitz u.a.), Archivstudien in 12 Ländern, Studium historischer Literatur seit den 1970er Jahren.
Das erschreckende am Terror des Nationalsozialismus ist der Rationalismus, mit dem die industrielle Ermordung („Vergasung“) von Millionen Menschen vorbereitet und durchgeführt wurde. Zwar ist ein Kernelement der Ideologie des Nationalsozialismus der Irrationalismus. Der Rassismus verleitete zu einer Überheblichkeit gegenüber anderen Staaten, der zu einer vernichtenden militärischen Niederlage führte, die durchaus auch mit der technologischen Überlegenheit der Wirtschaft, der Waffen der Gegner, der Kriegsführung zu tun hatte.
Bekannt ist aber von der Wannsee Konferenz vom 20.1.1942, dass massenhaft Menschen umgebracht wurden, weil sie keinen Profit mehr abwarfen und die Nationalsozialisten zudem nicht in der Lage waren, sie zu ernähren. Sie hatten ihre Zwangsarbeiter aus dem Osten.
Auch die heutigen Gewaltstrategien haben durchaus ihre Rationalität. Die Triebkräfte sind Gewinn, Macht. Nicht alle teilten nach 1989 einen Optimismus eines Gorbatschow, wenngleich die Möglichkeiten für eine Friedenskultur greifbar erschienen. Im Song The Future (LP: 1992) von Leonard Cohen finden sich vielmehr die Verszeilen:
I’ve seen the future, brotherIt is murder
Via Medien, Internet können uns die Bilder vom brutalen Terror der Hamas erreichen. Der bisher bekannte UNO Bericht (Stand: 5.3.2024) stützt sich nicht auf Zeugen, sondern auf Aussagen von Vertretern Israels und deren Material. Die UNO, Präsidenten, Massendemonstrationen kritisieren aber auch die Abriegelung des Gaza Streifens, die Bombardements, die Vertreibung in den Süden, die kollektive Bestrafung. Ein Kritik, die dazu führte, dass der israelische Botschafter den Rücktritt des UN Generalsekretärs forderte. Präsident Biden dürfte versuchen, dass die Bodenoffensive nicht als angekündigter kollektiver Rachefeldzug durchgeführt wird, mit dem Netanyahu in eine politische Falle gerät. Freilich äußert Netanyahu trotz der Bedenken der USA, dass der Konflikt sich ausweitet: do or die. Es scheint so, dass Netanyahu die Option do and die gewählt hat. Netanyahu, ein Ministerpräsident Israels, der sein Land heuer an den Rande eines Bürgerkriegs getrieben hat, um dem Gefängnis zu entgehen. Viele in Israel wollen seinen Rücktritt jetzt bzw. spätestens nach dem Krieg, weil sie die Geiseln befreit haben wollen, ihn für die Katastrophe verantwortlich machen, in die Israel geraten ist. Was die Mehrheit der Staaten der Welt will, zeigt die aktuelle UN Resolution zu Gaza. Auch Freunde Israels in Österreich wenden sich von ihm, nicht aber von Israel ab. Dazu vom März 2024: Ehud Barak: Israel Must Decide Where It’s Going—and Who Should Lead It There (foreignaffairs.com)
Der Kampf gegen Antisemitismus wird nach diesen Gewaltakten in neuer Weise zu führen sein. Der Antisemitismus explodiert derzeit. Der Kampf dagegen war eigentlich auch schon immer anders zu führen, wie die Installation zur Buchmesse Frankfurt am Main 2023 zu Kommunikationsstrukturen zeigen will. Die Konstruktion des Bösen reicht nicht aus, um eigene Verbrechen zu rechtfertigen. Eine Weltgerichtsbarkeit, mit der sich einige Länder über die Welt erheben, ist zum Scheitern verurteilt und birgt Konflikte, Gewalt in sich. Diese Art von Ungerechtigkeit brachte schon den Feudalismus zum Sturz.
Ein Element im Kontext des Antisemitismus, der Gewalttaten ist der Hass, den Heinrich Mann bereits 1933 als historisches Phänomen wahrnahm. Auch 2023 ist der Hass wieder gekoppelt an Nationalismus. Diejenigen, die mit den antinationalistischen EU Gründungsakten brechen, sind auch diejenigen, die Kriege vorbereiteten, Kriege führen. Die Worte von Heinrich Mann (siehe Link) haben durchaus gegenwärtige Bedeutung. Selbst die Koppelung an nationalsozialistische Traditionen wird nicht mehr gescheut (siehe die Berufung auf Bandera, den Applaus für einen SS-Verbrecher im kanadischen Parlament).
Es ist aber nicht leicht, sich dieser erschreckenden gesellschaftlichen Realität in ihrer Hässlichkeit zu stellen. Soyfer zeigt schon mit seinen Gedichten in der Arbeiter-Zeitung, dass er sich dem Grauen stellt (vgl. Arlt zu Grauen im Kontext (militärischer) Gewalt, „Ich habe das Grauen gesehen.“, Jura Soyfer. 9.Jg., Nr. 2/2000). Von Leonard Cohen, dessen zeitgenössisches Werk herangezogen wird, um die Veränderung des Herangehens in der Gegenwart – gerade in der Analyse und Darstellung von Gefühlen – verständlich zu machen, ist unter anderem das Album (die LP) Songs of Love and Hate (1971). Die politische Dimension, der Einfluss von Garcia Lorca ist nicht wirklich ablesbar, dafür aber die Verbindung mit der jüdischen Tradition auch in der Nachfolge des Yom Kippur Krieges. Ansatzweise gibt es Darstellungen zu den Verbindungen zu dieser jüdischen Tradition – auch im Rahmen von Propagandaseiten. Besonders deutlich ist diese Verbindung zur jüdischen Tradition in Cohens letztem Song You want it Darker.
Diesem Album Songs of Love and Hate vorausgegangen war bereits 1969 die Single The Partisan. Die Bildelemente, mit denen dieser Song später verknüpft wird, sind historisierend. Später werden historische Anklänge evident (auch in Verbindung mit Wien): Leonard Cohen – Take This Waltz An der Bar in Wien steht der Lyriker Garcia Lorca. Er wurde von den „Blauen“ (in diesem Fall den Spanischen Faschisten) zum Tode verurteilt bzw. ermordet.
Am Ende des Gemetzels in der Oper „Der Ring der Nibelungen“ von Richard Wagner steht das Liebesmotiv. Im Song The Future von Leonard Cohen heißt es:
I’ve seen the nations rise and fallI’ve heard their stories, heard them allBut love’s the only engine of survival
Auch bei Soyfer ist es im vielschichtigen Stück Der Weltuntergang (s. Edition 2012) die Liebe, die die Welt rettet. Eine Welt der Widersprüche:
Voll Hunger und voll Brot ist diese Erde,
Voll Leben und voll Tod ist diese Erde,
In Armut und in Reichtum grenzenlos.
Soyfer hoffte auf die Revolution, die diese Widersprüche lösen sollte. Evident setzt er auf die Volksfronten gegen Faschismus und Nationalsozialismus in Europa. Sie sind auch ein Gegenentwurf zur Stalinschen Politik (s. Peter Weiss: Die Ästhetik des Widerstandes). Trotz austrofaschistischer Zensur wird dies in seinem Stück von 1936 indirekt verbalisiert. Die versuchten Revolutionen treten durch Berichte auf die Bühne.
1945 kam die Befreiung von der nationalsozialistischen Diktatur. Soyfer hat sie nicht mehr erlebt. Er starb bekanntlich am 16.2.1939 im Konzentrationslager Buchenwald. Die Dokumentation dazu: Jura Soyfer (1912-1939) zum Gedenken Aber er hatte dazu beigetragen, dass einige seiner Kameraden, Genossen überlebten. Und seine Vorschläge zur Veränderung der Welt sind durchaus lebendig. Veränderungen, die auch Leonard Cohen als notwendig ansah: Democracy.