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1.
Der Erste Weltkrieg wurde gemeinhin als Bruch und Umschwung der europäischen Zivilisation empfunden. Neben den zahlreichen mehr oder weniger subjektiven dichterischen Reaktionen auf dieses Ereignis, etwa die der Expressionisten, steht Karl Kraus' alle Subjektivität sprengendes umfassendes Panorama dieses weltumspannenden Krieges. Kraus versah Die letzten Tage der Menschheit mit der Gattungsbezeichnung "Tragödie", eine Zuschreibung, die sich allerdings nicht auf gattungspoetologische Kriterien stützt, sondern sich auf den Inhalt des monumentalen Dramas bezieht. Das über 700 Seiten lange Werk umfaßt, vom Epilog abgesehen, 219 Szenen mit Hunderten von Figuren. Es gibt keine Dramenhandlung im traditionellen Sinn, es wird vielmehr das Kriegsgeschehen in seinen unzähligen und vielfältigen Aspekten Szene um Szene vor dem Leser ausgebreitet, wobei Schrecken und Entsetzen mit zunehmendem Kriegsverlauf immer tragisch-groteskere Züge annehmen. Fluchtpunkt des Dramas ist der apokalyptische Epilog auf dem Schlachtfeld, in dem Personen und Themen noch einmal gebündelt werden. Die Schauplätze umfassen das gesamte vom Krieg erfaßte Gebiet, von Galizien nach Frankreich, Bosnien, Serbien, Ungarn nach Italien, immer wieder zurückkehrend ins Zentrum, nach Wien, und, ab dem III. Akt, auch nach Berlin. Ringstraßenkorso, Kaffehaus, Ballhausplatz, österreichisches und preußisches Hauptquartier, Kriegsministerium, Prater, Vorstadtwohnungen, Vorstadttheater, Lebensmittelhandlungen, Kriegsarchiv, Nachtlokale, Kirchen, Kasernen, Schlachtfelder, Frontstellungen, Gerichtssäle, Eisenbahncoupés, Militärspitäler, und immer wieder die Straße, sind nur einige der Handlungsorte.
Das gesamte Drama unterliegt einer systematischen satirischen Perspektive, die sich gegen Ende hin zu einer phantasmagorisch-grotesken Vision zuspitzt. Nur die Opfer des Krieges werden vom satirischen Blick verschont. Alle anderen am Krieg beteiligten Kräfte sind ihm unterworfen: senile und arrogante Monarchen samt Anhang, auf ihr Prestige versessene Generäle, unfähige, sadistische Offiziere und Unteroffiziere, chauvinistische und häufig vertrottelte Minister und Beamten, korrupte und moralisch depravierte Redakteure, Journalisten und Kriegsberichterstatter, Geschäftsleute, die noch aus dem größten Elend Gewinn schlagen, im sichern Hinterland sitzende Patrioten, kriegshetzende Dichter und Professoren, Waffen segnende Priester, grausame Richter und Staatsanwälte, selbstzufriedene, ihre Kinder und Frauen mißhandelnde Bürger, frivole Operettensänger und deren groupies, sowie das aufgehetzte, brutale, hysterisch-chauvinistische Volk. Es ist nahezu unmöglich, von Ausmaß und Vielfalt dieses Werks, von der überwältigenden Konkretion des Geschehens referierend einen Eindruck zu vermitteln. Hunderte von soziologisch differenzierten Personen, Personenkonstellationen, Situationen werden dem Leser vor Augen geführt. Wenn man den Epilog und die Dialoge zwischen dem Optimisten und dem Nörgler ausnimmt, hinter dem sich der Autor verbirgt und dessen ethischer Standpunkt die satirische Norm darstellt, reproduziert etwa die Hälfte des Textes (!) authentische Dokumente, die den Figuren in den Mund gelegt sind: Leitartikel, Kriegsberichte, Zeitungsmeldungen aller Art, Proklamationen, offizielle Verlautbarungen, Aufrufe, Gerichtsurteile, Gedichte usw.1 "Die unwahrscheinlichsten Taten, die hier gemeldet werden, sind wirklich geschen", schreibt Kraus im Vorwort und fährt fort: "ich habe gemalt, was sie nur taten. Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate. [...] Das Dokument ist Figur; Berichte erstehen als Gestalten, Gestalten verenden als Leitartikel; das Feuilleton bekam einen Mund, der es monologisch von sich gibt; Phrasen stehen auf zwei Beinen - Menschen behielten nur eines." Diese Technik der Zitatmontage verleiht dem Werk nicht nur Aktualität, sondern auch höchste Authentizität. Die von Kraus erfundenen Personen und Dialoge reihen sich bruchlos in die von den Dokumenten erschlossene Welt ein. Die Satire benötigt nur ganz selten der Hilfestellung des Autors, etwa durch Kontrastierung von Personengruppen (reiche Kriegsgewinnler - Invalide, Verhungernde) oder von Szenen (betender Papst - betender [NFP-Herausgeber] Benedikt): im allgemeinen entlarvt sich der Sprechende allein durch seine Sprache, und eigentlich könnte der Leser des Kommentars des Nörglers entbehren, um die Satire zu entschlüsseln. Übrigens hat Kraus in der von ihm verfertigten Bühnenfassung diesen Kommentar fast völlig eliminiert.2 Wir haben es also mit einer sich sich selbst entlarvenden Satire der Sprache zu tun, aber keineswegs mit reiner Sprachsatire. Es ist die Sprache der Mächtigen, die Sprache der Militärs, die Sprache des Kapitalismus und vor allem die alle anderen Sprachen vermittelnde und referierende Sprache der Presse, die sich vor den Augen des Lesers als Ausdruck inhumanen, menschenverachtenden und, wie Kraus es sah, widernatürlichen Verhaltens enthüllt. Die Technik des kommentarlosen Zitierens ist aus dem voraufgehenden Werk von Karl Kraus vertraut, im Unterschied zu den Satiren der Fackel handelt es sich hier allerdings um eine umfassende Satire, eine Gesamtschau, um eine Satire, die den Gesamtzusammenhang der verschiedenen Interessen hinter der patriotischen Fassade herstellt und aufdeckt.
Im Gegensatz zu den meisten seiner Zeitgenossen teilte Kraus nicht die Ansicht, der Erste Weltkrieg stelle einen Bruch in der europäischen Kultur oder gar eine barbarische Episode im Ablauf der Zivilisation dar. Er hatte die Entwicklung vorausgesehen und erkennt in den Leiden, Schrecken und Greueln des Weltriegs die Bestätigung seiner seit Jahren geübten Kulturkritik.3 Die letzten Tage der Menschheit sind weit mehr als ein eindrucksvolles und auch erschütterndes Anti-Kriegs-Drama, sie präsentieren sich als Bilanz der Krise, des Zerfalls der westlichen, vor allem österreichischen und deutschen Kultur, wobei wir hier nicht an Untergangsvisionen à la Spengler zu denken haben, da der Kulturbegriff von Kraus vor allem Humanität impliziert, ja bedeutet. Es wird nicht vorrangig die Bestialität des Krieges gezeigt, sondern es werden die Institutionen und Funktionsträger vorgeführt, die diese ermöglicht haben. Diese umfassende satirische Kultur- und Gesellschaftskritik ist es, die es den Nachgeborenen erlaubt, das Werk nicht nur als Dokument über den Ersten Weltkrieg, sondern als weiterhin aktuell zu lesen, was im Zusammenhang unseres Themas seine Bedeutung hat. Brecht etwa hat die Richtigkeit, weitere Gültigkeit, ja schöpferische Brauchbarkeit der Kraus'schen Gesellschaftskritik erkannt, wenn er am 15. Juli 1942 in sein Arbeitsjournal einträgt: "... und wieder möchte ich SCHWEYK machen, mit szenen aus DIE LETZTEN TAGE DER MENSCHHEIT dazwischengeschnitten, so daß man oben die herrschenden mächte sehen kann und unten den soldaten, der ihre großen pläne überlebt."4
Wichtiger aber noch als der thematische Aspekt sind für Kabarett und Kleinkunst zweifelsohne die literarisch-theatralischen Eigenheiten und Neuerungen dieses gewaltigen Werks. Anfang der dreißiger Jahre, als er sein politisches Lehrtheater ausarbeitete, notierte wiederum Brecht, daß viele der von Kraus entwickelten Techniken, vor allem natürlich die systematische Entlarvungstechnik, "für unseren Kampf verwendbar sind." Er fährt fort: "In seinem riesigen Werk stellt Kraus, der erste Schriftsteller unserer Zeit, die Entartung und Verworfenheit der zivilisierten Menschheit dar. Als Prüfstein dient ihm die Sprache, das Mittel der Verständigung zwischen Mensch und Mensch. Seine Entdeckungen auf diesem Gebiet und der Methoden, die sie ermöglichen, sind Legion."5 Es ist nicht überraschend, daß Erwin Piscator, den seine Kriegserfahrungen zum Kommunismus geführt hatten, dieses Drama auf die Bühne bringen wollte. Kraus versagte ihm die Erlaubnis, ebenso übrigens wie er sie Max Reinhardt versagt hatte. Er fürchtete wohl die einseitig politische Perspektivierung durch den Berliner Regisseur, die er etwa in seiner Kritik von dessen Räuber-Inszenierung moniert hatte.6 Piscator hatte 1925 für die KPD die Revue Trotz alledem inszeniert, "eine einzige Montage von authentischen Reden, Aufsätzen, Zeitungsausschnitten, Aufrufen, Flugblättern, Fotografien und Filmen des Krieges und der Revolution, von historischen Personen und Szenen", die das Kraussche Vorbild nicht verleugnen kann.7 Piscator übte einen bedeutenden Einfluß auf die politische Kabarettrevue der Weimarer Republik aus, während in Österreich, wo Piscator ebenfalls rezipiert wurde, Kraus' Drama als Modell und Vorbild den Berliner Polit-Revuen den Rang ablief. Denn Die letzten Tage der Menschheit, wenn sie auch gegen Ende und vor allem im Epilog symbolisch überhöht sind, sind in gewisser Hinsicht auch eine riesige Revue, eine endlose Abfolge von satirisch-kabarettistischen Szenen. Selbst der antithetisch aufgebaute Dialog zwischen dem Optimisten und dem Nörgler, der die grauenvollen visuellen Reportagen kommentiert, geht auf die in den Revuen häufig verwendete Tradition des Compère und der Commère zurück. Die Revue-Struktur, d. h. die Abfolge von untereinander nicht durch Handlung, sondern thematisch verbundener Szenen mit sowohl neuen wie regelmäßig wiederkehrenden Figuren, der Akzent auf der Aktualität, die durchgehende satirische Perspektive, die Verwendung verschiedener Sprachebenen und Dialekte - alle diese Züge des Weltkriegsdramas finden wir, wiewohl in ungleich bescheidenerem Maße, in Kabarett und Kleinkunst wieder.
2.
Das 1926 gegründete sozialdemokratische Wiener Politische Kabarett griff in seinen frühen Programmen immer wieder auf Karl Kraus zurück, wobei angemerkt werden muß, daß die sozialistischen Mittelschüler und Studenten, die dieses Kabarett führten, im Konflikt zwischen der Partei und Karl Kraus explizit für diesen und gegen die Partei Stellung bezogen. Im 4. Programm gedachten die Kabarettisten der blutigen Ereignisse vom 15. Juli 1927, als die Polizei auf Anweisung von Bundeskanzler Seipel und Polizeipräsidenten Schober in die gegen den Freispruch rechtsextremer Mörder protestierende Menge schoß und 89 Todesopfer verursachte. Kraus hatte daraufhin in einer Nummer der Fackel mit dem auf Schober gemünzten Titel Der Hort der Republik ein umfangreiches Dossier aus Presseinformationen, Augenzeugenberichten und Politikeraussagen publiziert, das eine vernichtende Anklageschrift gegen die für das Massaker Verantwortlichen bildete. Bekanntlich ließ er auch auf eigene Kosten überall in Wien Plakate anbringen, in denen er Schober aufforderte zurückzutreten. Um die Szene zum 15. Juli zu gestalten, griffen die Kabarettisten auf Kraus' Drama zurück. Unabhängig davon, was man vom Ergebnis ihrer Bemühungen hält, kann man doch festhalten, daß sie verstanden haben, daß Die letzten Tage der Menschheit nicht nur vom Weltkrieg, sondern grundsätzlich von der Inhumanität unserer vermeintlich zivilisierten Gesellschaften handelt. Hat Kraus die Kontinuität zwischen Vorkriegszeit und Kriegszeit betont, so führen die Mitarbeiter des Politischen Kabaretts die Linie in die Nachkriegszeit weiter. Zurecht haben sie das Massaker an den Wiener Arbeitern als eine Manifestation des von Kraus gebrandmarkten Zivilisationszerfalls erkannt.
Am Anfang der Szene wendet sich, nach dem Vorbild des Epilogs von Kraus, eine "Stimme von unten" an die "Sieger". Der politische Bezug ist dem Anlaß gemäß, dem Vorbild in Wortwahl und Versform nacheifernd, weniger direkt und plakativ als in den üblichen Szenen dieser Truppe:
Nun ist's vorbei - so geht
das Leben weiter,
Und Sinn und Wert verblutet sich am Zweck,
Der Tod versinkt in einer Flut von Dreck
Und euch erscheint der Himmel wieder heiter.
Und er beleuchtet eine wüste Welt,
Wo Polizei das Leben überwacht,
Und schützt vor so viel Blut das viele Geld,
Und überstrahlt die letzte Grabesnacht.
Und ihr könnt lachen, weil es auch noch tagt,
Noch habt ihr keine Toten zu begraben.
Jetzt habt ihr nur gerührten Dank gesagt,
Den Menschen, die für euch gemordet haben.
Und gern bezahlt ihr eure treuen Streiter,
Und freut euch, daß ihr noch am Tod gewinnt.
Es wird zu spät sein, wenn ihr euch besinnt,
Dann ist's vorbei, so geht es nicht mehr weiter.8
Die Folge der Szene besteht aus einem Dialog zwischen dem Kapitalisten, dem Agrarier, dem General und Schober, der ausschließlich aus Zitaten besteht, die der erwähnten Fackel-Nummer entnommen sind. Dennoch ist das Ergebnis viel weniger eindrucksvoll als im erschütternden Dossier von Kraus. Zum einen liegt es natürlich an der räumlichen Begrenzung, zum andern aber auch an der unbeholfenen Art der Montage. Nicht umsonst schrieb Brecht in der schon erwähnten Notiz aus dem Anfang der dreißiger Jahre, daß die Methode des kommentarlosen Zitierens, die Kraus mit besonderer Kunst anwende, "von allen Methoden dieses Schriftstellers die am wenigsten nachahmbare" sei.9
Die lange Mittelszene des ein Jahr später aufgeführten 6. Programms, Zehn Jahre bürgerliche Republik (1928), ist sehr stark Kraus' satirischem Schlüssel-Drama Die Unüberwindlichen nachempfunden. Doch um das Ende der Monarchie in Szene zu setzen, greifen die jungen Kabarettisten, die Weltkrieg und Revolution nicht gekannt haben, auf die Letzten Tage zurück. Ähnlich Kraus, der Kaiser Karl für seine Begriffe relativ sanft als "Operettenliebling" und "Schönpflug-Modell" verhöhnt (LTM, V, 42), präsentiert das Kabarett die Abreise des Kaisers unter burleskem Vorzeichen. Zu Beginn der Szene sehen wir einen angeheiterten General mit seinem ebenso angeheiterten Pupperl, wobei nicht nur der Sprachduktus, sondern auch einige bekannte Zitate direkt dem Weltkriegsdrama entlehnt sind. Hier ein kurzer Auszug:
Pupperl: Mir ist schlecht, ich möcht nach Haus. [...]
General: Durchhalten -hup - a so a Pallawatsch, a so a Pallawatsch.
Ordonnanz (kommt): Exzellenz, melde gehorsamst, Seine Majestät der Kaiser lassen Eure Exzellenz sofort zu sich bitten.
General: Gott erhalte unsern Kaiser!
Ordonnanz: Exzellenz möchten sofort kommen, äußerst dringende Angelegenheiten!
General: A so a Pallawatsch! Sag seiner Majestät, ich kann net, i hab a Madel da!10
Die Folge der Szene illustriert den vom Nörgler sarkastisch als historischen Ausspruch Kaiser Karls verhöhnten Satz "Also - fahr' mr!" (LTM, V, 42). Karl und Zita packen die Reichsinsignien in einen Koffer und beeilen sich wegzukommen, wobei natürlich der Kontrast zwischen dem Stand der Figuren und ihrer Tätigkeit die Satire verstärkt. In den späteren Programmen wandte sich das Politische Kabarett, wohl wegen der Zuspitzung des Konflikts zwischen der Partei und Kraus von diesem ab und dem Vorbild des Wiener Volkstheaters zu.11
3.
Jura Soyfer, ab dem 8. Programm ein führender Autor des Politischen Kabaretts, hatte in den eben erwähnten Programmen noch nicht mitgearbeitet. Daß aber auch er wie seine Kameraden den Ersten Weltkrieg durch die Brille der Letzten Tage der Menschheit sah, zeigt z. B. die kleine Szene in Der Lechner-Edi schaut ins Paradies, in der der blinde Andraschek und Edi sich anschicken, hurrapatriotisch an die Isonzo-Front einzurücken.12 In Astoria wiederholt der reuige Hupka den Ausspruch Kaiser Wilhelms, den Kraus ans Ende seines Dramas setzte: "Das hab ich nicht gewollt!" Zutiefst Kraus' Drama verpflichtet aber ist Soyfers erstes Mittelstück Der Weltungergang, das am 6. Mai 1936 in der Kleinkunstbühne ABC seine Uraufführung erlebte und das ich hier als bekannt voraussetze. Vom Titel her bereits jenem von Kraus verwandt, läßt auch die planetarische Rahmenhandlung - trotz ihrer grundsätzlichen Verankerung in der Altwiener Volkstheater-Tradition - an den Epilog der Letzten Tage denken, in dem bekanntlich Gott das letzte Wort behält. In beiden Stücken strebt das Geschehen auf die Katastrophe zu. Sicher bleibt Soyfers Schluß im Gegensatz zu jenem bei Kraus optimistisch, wie überhaupt die Satire bei Soyfer - angesichts des Unterschieds zwischen fiktiver Kriegsgefahr und aus nächster Nähe gesehener Weltkriegsgreuel - naturgemäß viel weniger virulent ist. Dennoch erinnert die Struktur des Stückes, eine Folge kurzer satirischer Szenen, von denen nur ein Teil durch die Hauptfigur Guck zusammengehalten wird, direkt an Die letzten Tage der Menschheit, zumal Soyfer, wie sehr häufig auch Kraus, zwei Personen miteinander dialogisieren läßt. Ungleich dem Politischen Kabarett zitiert Soyfer das Kraus'sche Drama nicht direkt. Dennoch könnten manche Figuren von Kraus im Weltuntergang auftreten und umgekehrt. Die zwei Mayer, zwei ratlose Wiener Bürger, von denen der eine etwas skeptischer ist als der andere, die aber schließlich gegen bessere Einsicht dem offiziell verordneten Optimismus freien Lauf lassen, erinnern unter anderem an die Verehrer der Neuen Freien Presse, den alten Biach und den skeptischeren kaiserlichen Rat, sowie an den Abonnenten und den Patrioten, die ebenfalls durch völligen Mangel an kritischem Geist glänzen. Die Satire der für Operettenlieblinge schwärmenden Modedamen, der drückebergerischen Amerikaner und des kriegsbegeisterten, gleichzeitig aber die Flucht ergreifenden Poeten gemahnen an die Satire mancher Hinterland-Figuren im Weltkriegsdrama.
Allerdings handelt es sich hierbei um Nebensächlichkeiten, wesentlich sind der zentrale Inhalt und die Form der Satire bei Soyfer: die Sprach- und Mediensatire. Wie bei Kraus ist im Weltuntergang die entfremdete Sprache - in Form von Phrasen, patriotischem Pathos, Schlagwörtern, Verwaltungssprache, Reklamesprache, Medienjargon - zugleich Mittel und Gegenstand der Satire.13 Auch Soyfers Figuren entlarven sich durch ihre Sprache, wobei aber Soyfer bezeichnenderweise die Volksfiguren aus der satirischen Perspektive ausnimmt. Ja er geht sogar so weit, einer volkstümlichen Figur, dem Kragenknopfhändler, eine bissige Satire der pseudoreligiös-geschwollenen Ausdrucksweise der Untergangsprediger in den Mund zu legen. Anders die Sprache der Mächtigen und Bürgerlichen, die, ähnlich wie bei Kraus, Zitat-Sprache ist: so Hitlers Ansammlung brutaler nazistischer Propaganda-Schlagwörter, das frivole Geplapper der Modedamen, das an die ebenso frivolen Gespräche der Bürger im Hinterland in Kraus' Stück gemahnt, der sich in ähnlicher Weise selbst enthüllende Dialog der beiden Diplomaten oder die sprachartistisch besonders gelunge Entlarvung der blind der Obrigkeit vertrauenden und daher betrogenen alten Jungfer. Wie bei Kraus stammen im Weltuntergang die Meinungen bzw. Un-Meinungen der Figuren direkt aus der Zeitung, nach Kraus die Inkarnation allen Übels, kommentieren die Personen jeweils die letzten Leitartikel. Die beiden Modedamen kommen, eine Zeitung entziffernd auf die Bühne. Sie überfliegen die Nachrichten zum Weltuntergang, um schließlich die "Rundfrage an Prominente" zu kommentieren. Auch der junge Mann liest zu Beginn der Szene "Zwei Mausi" die neuesten Meldungen zur Situation, wird aber von seinem Mausi dabei unterbrochen und auf das Thema der immer wieder verschobenen Heirat gelenkt. Auch der Dialog der zwei Mayer entspinnt sich an aktuellen Zeitungsartikeln, in die vertieft sie die Bühne betreten. "Die Presse, schreibt Horst Jarka diesbezüglich, dient nicht der Aufklärung, sondern der Verunklärung."14 Es handelt sich in der Tat nicht um eine Kritik an schlampigem, sondern an zynischem, manipulativem Sprechen. Das geht aus der Szene mit der alten Jungfer und ihrem Papagei hervor, die wie alle Figuren blind dem gedruckten Wort vertraut: "Und wenn ich dir sag', in der Zeitung ist heut schwarz auf weiß gestanden, die patriotischen kleinen Sparer werden im Weltuntergang geschützt werden?" - und etwas später: "Aber in der großen Rede hat's geheißen: Ich bin und bleibe Optimist -", übrigens ein stehender Ausdruck des Kraus'schen Optimisten.15
Ein Beispiel für die weitblickende Medienkritik von Karl Kraus bietet die absolut großartige Szene am Janower Teich (I, 23), in der die Begegnung von Ganghofer und dessen Bewunderer Wilhelm II. in Szene gesetzt wird. Beide bedienen sich dieses Treffens zu ihrem je eigenen Vorteil: Wilhelm II., der durch das Zusammensein mit dem äußerst beliebten Heimatschriftsteller seine Volkstümlichkeit unter Beweis stellen und seine Popularität mehren will, Ganghofer, der durch Zurschaustellung der kaiserlichen Anerkennung seinen Ruhm (und so seine Leserschaft) noch weiter zu vergrößern beabsichtigt. Deshalb sind in dieser Szene weder der Heimatschriftsteller noch der Kaiser, sondern ist der Photograph der Woche die wichtigste Figur.16 Derselben Konstellation begegnen wir in der Hitler-Szene des Weltuntergang wieder. Hitler will sich mit dem weltberühmten Gelehrten fotografieren lassen, um seine eigene Popularität zu steigern. Heute sind uns solche medialen Strategien zum Überdruß vertraut, zu Anfang des letzten Jahrhunderts allerdings brauchte es des scharfen medienkritischen Blickes von Kraus, um sie aufzudecken und zu denunzieren. Und er hat einer ganzen Generation, darunter Soyfer, diesen Blick vererbt. Der kurze Auftritt von Kraus im Weltuntergang (der übrigens nicht gespielt wurde), ist natürlich in erster Linie eine Polemik gegen den Entschluß des Satirikers, zu Hitler zu schweigen17, zugleich aber vielleicht auch ein Hinweis darauf, wie sehr Soyfer in diesem Stück (in dem er Hitler in Szene setzt) in dessen Schuld steht.
Wie das Politische Kabarett, aber auf literarisch anspruchsvollerem Niveau, hat Soyfer im Weltuntergang Die letzten Tage der Menschheit auf seine Weise weitergeschrieben. Er war sich bewußt, daß die im Weltkrieg zum Ausbruch gekommene Krise der bürgerlichen Gesellschaft andauerte, so wie es der Nörgler vorausgesagt hatte:
Der Optimist: Jeder Krieg wurde doch noch durch einen Frieden beendigt.
Der Nörgler: Dieser nicht. Er hat sich nicht an der Oberfläche des Lebens abgespielt, sondern im Leben selbst gewütet. Die Front ist ins Hinterland hineingewachsen. Sie wird dort bleiben (V, 49).
4.
Ein halbes Jahr nach Soyfers Weltuntergang, im Jänner 1937, kam in der Literatur am Naschmarkt das Programm 1913 von Rudolf Weys, dem Gründer und Leiter dieses Kleinkunsttheaters, zur Aufführung.18 Wie bei Soyfers Drama handelt es sich um ein Warnstück - auch Weys will vor der Sorglosigkeit und Indifferenz der Menschen gegenüber der immer deutlicher werdenden Kriegsgefahr warnen, er wollte zeigen, "wie ahnungslos die Menschen von 1913 in den Abgrund stolperten".19 Politisch und weltanschaulich verbindet Weys nur wenig mit Soyfer. Weys ist einer der konservativsten und harmlosesten Kleinkunstautoren, zumal wenn es sich um das alte Österreich handelt, das er nach eigenem Bekunden "mit Liebe sieht"20 und in anderen Szenen und Stücken als eine Art habsburgisches Schlaraffenland dargestellt hat. Demgemäß ist seine Satire nicht nur viel sanfter als die von Karl Kraus, sondern auch viel versöhnlicher als die Soyfers. Er selber charakterisiert das Programm zurecht nicht als satirisches, sondern als "ironisch wehmütiges Programm".21 und räumt ein, daß die Linken damals glaubten, er sei zur Vaterländischen Front übergelaufen.22 Die Szenenfolge 1913 interessiert uns hier aus einem anderen Grund: Weys greift Kraus' Methode des direkten Zitierens auf. "Bei der Zusammenstellung des Programms 1913", schreibt er einleitend, "wurden neben unserem lebendigen Erinnerungsvermögen folgende Quellen benutzt: Arbeiterzeitung, Fackel, Kronenzeitung, Muskete, Neue freie Presse, Neues Wiener Tagblatt, Österreichische Illustrierte Zeitung, Salonblatt, Wiener Bilder u. v. a. aus dem Jahre 1913. Alle auf der Bühne und in den Conferencen behandelten und glossierten Begebenheiten sind also tatsächliche und unverfälschte Aktualitäten des Jahres 1913."23 Das Vestibül und der Theatersaal waren mit Titelbildern aus der Muskete und mit gerahmten Originalzeichnungen von Fritz Schönpflug geschmückt. Es handelte sich dabei wohl um die bekannten Bilder dummer Offizier-Feschaks, dem Zuschauer aber stand auch die besondere Art der Schönpflugschen Kontinuität vor Augen: Schönpflug war als Mitarbeiter des Kikeriki und der Wiener Stimmen im Aufführungsjahr des Stücks einer der schlimmsten antisozialistischen und radikal antisemitischen Zeichner, dessen Karikaturen in ihrer Niederträchtigkeit selbst vom Stürmer nicht überboten wurden.24 In Kraus' die fünf Akte einleitenden Szenen "Ringstraßenkorso. Sirkecke" lautet die wiederkehrende bewundernde Replik eines der vier dummen, sich im Gegensatz zur Kriegslage immer gleichbleibenden Offiziere: "Ganz meine Ansicht - gestern hab ich mullatiert -! habt's das Bild vom Schönpflug gsehn, Klassikaner!" In diesem Fall hat sich die andauernde Gültigkeit der Satire von Kraus also mehr als bewahrheitet.
In Weys' Szenenfolge will im Jahre 1913 trotz der bereits herrschenden düsteren und drückenden Atmosphäre niemand an die Gefahr eines baldigen Krieges glauben. Wir erinnern uns, daß zu Beginn der Letzten Tage der Menschheit, also nach der Kriegserklärung, die Personen noch von einem Krieg, der nur ein paar Wochen dauern und auf Serbien beschränkt bleiben würde, phantasieren. Das Stück von Weys umfaßt 13 Szenen, wobei in den ersten elf nur eine Person oder meist, wie im Weltuntergang, zwei Personen auftreten: zwei Bürger, zwei Soldaten, zwei Frauen, zwei Diplomaten, wobei schwer zu entscheiden ist, ob sich Weys an Kraus oder direkt an Soyfer anlehnt (die zwei Meyer, die zwei Modedamen, die zwei Diplomaten scheinen vo diesem übernommen). Ähnliches gilt für die Rolle der Presse, die wie im Weltuntergang völlig im Zentrum des Bühnengeschehens steht. Am Beginn der Szenenfolge lesen die zwei Bürger Zeitung und kommentieren eine Rede des deutschen Kaisers. Anders als bei Kraus wird die treudeutsche Waffenbrüderschaft nicht als bedrohlich angesehen. Weiters kommentieren sie Nachrichten vom Balkankrieg. Diese vermögen es aber nicht, sie aus ihrer sprichwörtlichen Ruhe zu bringen:
1. Bürger: Es ist nur eins: der Balkan macht ma bereits leichte Sorgen. Mit dem Nikita und dem Skutari, und die Bulgaren mit die Serben!
2. Bürger: Also, was mi betrifft, ich misch mich da net drein.
1. Bürger: Na ja, aber ma weiß direkt net mehr, zu wem ma halten soll. Wobei unsere Deutschmeister doch allerweil an der Grenze - -.
2. Bürger: Des geht alles vorüber, weil sich bei uns alls einrenkt, solange der Kaiser lebt. (Legt endlich die Zeitung weg, eindringlich:) Aber weißt, was mi wirklich gift?
1. Bürger (noch hinter der Zeitung): Hm - - ?
2. Bürger: Daß den N-Wagen neu instradieren!
1. Bürger (legt die Zeitung weg, jetzt ebenfalls sehr interessiert): Geh - was d' net sagst! Wirkli?
Die zwei Frauen kommentieren dieselben Nachrichten, aber wie die Modedamen bei Soyfer, haben sie bald "die ewige Rederei von der Kriegsgefahr satt" und sind aufs Frivole festgelegt. Auch die Diplomatenszene scheint, wie gesagt, direkt von jener Soyfers angeregt zu sein: ein deutscher und ein russischer Diplomat überbieten sich in Rüstungsforderungen. In der 8. Szene glaubt der Redner einer internationalen pazifistischen Organisation seine Hörer beruhigen zu können: die tiefe Friedenssehnsucht des deutschen Kaisers banne jede akute Kriegsgefahr. In der neunten Szene diktiert ein Chefredakteur seinen Leitartikel, dem er den Titel gibt "Ernste Bedenken, doch ohne Schwäche" und in dem er die unentwirrbare, extrem konfliktuelle Situation innerhalb der Monarchie darzustellen versucht. In der folgenden Szene telephoniert ein Lokalredakteur auf der Suche nach geeigneten Informationen. Als er hört, den Fiakern stehe es von nun an frei, mit oder ohne Taxameter zu fahren, entfällt ihm vor Erstaunen der Hörer. Ihm folgt, in der 11. Szene, ein Reporter, der einen Manöverbericht durchgibt, der in dem Satz gipfelt: "Vollständiger Erfolg der Armee Auffenberg". In der im Kaffeehaus spielenden 12. Szene schließlich treten alle Figuren zusammen auf, wobei sich die Dialoge, in denen nur von Belanglosem die Rede ist, überschneiden. Die Bürger kommentieren die Zeitung, die Frauen unterhalten sich über ihre Männer, der Chefredakteur diktiert seinen Leitartikel über die Rückkehr der Mona Lisa nach Paris, der Diplomat berichtet Neuigkeiten von Hof und Adel und niemand kümmert sich mehr um Politik und Kriegsgefahr. Die Szenenfolge schließt mit einer Glückslotterie, das Programm mit Zitaten aus dem Leitartikel der Neujahrsausgabe der Neuen Freien Presse:
Wenn ich euch die Zukunft genau voraussag
Im Leitartikel vom morgigen Tag,
Dann stelle ich fest: "Es ist uns beschieden
Eine lange Periode von ganz tiefem Frieden".
Klar ist, daß a bessere Zeit kommen muß,
Denn im dreizehner Jahr war eh' nur Verdruß.
Im Leitartikel sieht man die Zukunft ganz klar,
Denn er schließt mit den Worten: "Hoch ins vierzehner
Jahr!"
Anders als bei Soyfer, der die Volksfiguren von der allgemeinen Verurteilung ausnimmt, ist bei Weys die Verblendung allgemein. So schlittert die Gesellschaft sozusagen zwangsläufig in den Krieg. Allerdings ist man weit entfernt von der schneidenden Satire eines Karl Kraus -an die Weys wohl nicht zu glauben vermochte -, und auch von dessen kunstreicher Zitat-Montage. Obwohl er vornehmlich dokumentarisches Material verwendet, für dessen Auswertung er mehrere Wochen in der Nationalbibliothek verbracht hatte, gelingt es Weys nicht, den Eindruck von Authentizität zu erzeugen. Brechts bedenkenswertes Wort von der Schwierigkeit, diese Methode von Kraus nachzuahmen, scheint im Falle dieser Szenenfolge wiederum angebracht zu sein. Auch die Satire der Presse hat nichts mit jener von Kraus gemein, sie beschränkt sich darauf zu zeigen, daß die Journalisten in provinzieller Beschränktheit an der allgemeinen Blindheit teilhatten und so den Lesern nicht halfen, die Situation besser zu erkennen. Die historische Lektion des Stücks beschränkt sich auf die Aufforderung an den Zuschauer, die ihn umgebenden Gefahren nicht ein zweites Mal zu verdrängen. Das Programm hatte allerdings ausgezeichnete Pressekritiken, was möglicherweise auch an der Aufführung, deren atmosphärische Dichte hervorgehoben wurde, lag. Der Kritiker der Neuen Freien Presse schreibt sogar von der "Beschwörung einer vergangenen und doch noch immer fortwirkenden Zeit".25 Sollten die Zuschauer diese Einschätzung geteilt haben, wäre es Weys, allem Anschein zum Trotz, doch gelungen, in sehr bescheidener Weise Die Letzten Tage der Menschheit fortzuschreiben.
ANMERKUNGEN
1 Franz H. Mautner, "Kraus. Die letzten Tage der Menschheit", in Benno von Wiese, Hrsg., Das deutsche Drama vom Barock zur Gegenwart. Interpretationen II, Düsseldorf 1968, S. 360-385, S. 377.
2 Vgl. Die Fackel 834-37, 1930, S. 16 ff.
3 Siehe z. B. zum Thema Presse und Krieg "Herbstzeitlosen oder Heimkehr der Sieger" (Fackel 366-67, 1913, 37-56), eine satirische Montage aus Feuilletons der Neuen Freien Presse zum Balkankrieg.
4 Bertolt Brecht, Arbeitsjournal 1938-1942, Frankfurt am Main 1974, S. 326.
5 Bertolt Brecht, Gesammelte Werke 19, Frankfurt am Main 1967, S. 432 (werkausgabe edition suhrkamp).
6 K. Kraus, "Meine Vorurteile gegen Piscator", Fackel 759-65, Juni 1927, S. 45-75.
7 Erwin Piscator, Das politische Theater, Reinbek 1963, S. 73.
8 Friedrich Scheu, Hrsg., Humor als Waffe. Politisches Kabarett in der Ersten Republik, Wien-München-Zürich 1977, S. 82-83.
9 B. Brecht, a. a. O., S. 430-31.
10 Scheu, S. 108. Vgl. LTM V, 39: "Erzherzog Max (aus dem Wagen rufend): Serwas Fritzl! Kummst mit zum Sacher? Der Operettentenor: I kann net, Kaiserliche Hoheit - i wart auf ein Madl! (Hochrufe für beide)".
11 Siehe dazu meinen Beitrag "Volkstheater gegen rechts. Zur Erneuerung des Alt-Wiener Volksstücks durch das Politische Kabarett (1926-1933)", in: Hilde Haider-Pregler/ Beate Reiterer, Hrsg., Verspielte Zeit. Österreichisches Theater der dreißiger Jahre, Wien 1997, S. 215-232.
12 Jura Soyfer, Szenen und Stücke, hrsg. von Horst Jarka, Wien-Zürich 1993, S. 110. Vom Lied "Braunes Isonzomädel", das Andraschek und Edi anstimmen, ist in den Letzten Tagen, V, 55, die erste Stophe abgedruckt.
13 Vgl. Horst Jarka, Jura Soyfer. Leben, Werk, Zeit, Wien 1987, S. 277-281.
14 Ebda., S. 278.
15 Vgl. z. B. LTM, V, 49: Der Optimist: Aber wenn nur erst der Friede da ist - Der Nörgler: - so wird man vom Krieg nicht genug kriegen können! Der Optimist: Sie nörgeln selbst an der Zukunft. Ich bin und bleibe Optimist. Die Völker werden durch Schaden - Der Nörgler: - dumm. Dumdum!" Dieses letzte Wortspiel gemahnt an die dem Papageien in den Mund gelegten Wortspiele in Weltuntergang.
16 In derselben Szene zeigt Kraus eine andere mediale Strategie auf: Ganghofer schickt sich an, eine angeblich streng vertrauliche Mitteilung des Kaisers mit dessen schließlicher, anscheinend ungern gegebener Zustimmung als Leitartikel zu veröffentlichen.
17 Vgl. Soyfer, S. 90: "Sie: Und was sagt er zu diesen letzten Tagen? Er: Du meinst, er? Sie: Ja, er - der Nörgler. Er: Er schweigt. Sie: Er schweigt. Das müssen wir uns anhören. Er: Glaubst du, wir kriegen noch Karten zu seiner 800. Verschweigung? Sie: Aber so viel du willst." In einem kurzen, in der Fackel Nr. 888 (Oktober 1933) veröffentlichten Gedicht bekräftigte Kraus seinen Willen, weiterhin zu Hitler zu schweigen: "Man frage nicht, was all die Zeit ich machte./ Ich bleibe stumm;/und sage nicht warum." Einen Monat vor der Premiere des Weltuntergang fand Kraus' letzte öffentliche, die 700. Lesung statt.
18 Um einen möglichst vollständigen Eindruck von diesem Stück zu erhalten, muß man die sich ergänzenden Reproduktionen in zwei von Weys herausgegebenen Sammlungen heranziehen: Literatur am Naschmarkt, Wien 1947, S. 66-101; Wien bleibt Wien und das geschieht ihm ganz recht, Wien 1974, S. 151-174.
19 Ingeborg Reisner, Kabarett als Werkstatt des Theaters. Literarische Kleinkunst in Wien vor dem Zweiten Weltkrieg, Diss. Univ. Wien 1961, S. 156.
20 R. Weys, Literatur am Naschmarkt, S. 66.
21 Weys, Wien bleibt Wien, S. 151.
22 Reisner, S. 157.
23 Literatur am Naschmarkt, S. 66.
24 Vgl. Franz Kadrnoska, "Auf den Schleichwegen der Karikatur", in: F. Kadrnoska, Hrsg., Aufbruch und Untergang. Österreichische Kultur zwischen 1918 und 1938, Wien-München-Zürich 1981, S. 87-134, S. 97-99, sowie U. Weinzierl, "Die Kultur der Reichspost", ebda., S. 325-344, S. 331-32.
25 Neue freie Presse, 27. 1. 1937.
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