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Nr.
2/2001 |
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Zsuzsanna Gahse Yoko Tawada Sabine Scholl Mihály Dés (Barcelona) Dagmar Oswald (Graz) BERICHTE Herbert Steiner zum Gedenken / Cross Culture. Transnationale deutschsprachige Literatur / Nation, Sprache, Literatur / Roma-Theater Pralipe in Wien Rezensionen / Der unentbehrliche Feind. Ein Stück von Al Mirodan
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Editorial | Die Migration ist heute eines der zentralen Widerspruchsfelder in gesellschaftlichen Prozessen. Auf der einen Seite scheinen die Interessen der Produktion, der Absicherung des Sozialsystems, der Bereicherung der Alltagskultur, der Nutzung von Kenntnissen und Wissen bzw. die Prinzipien der christlichen Nächstenliebe, der Solidarität usw. wirksam zu sein (oder zumindestens könnte man sich dies so vorstellen). Auf der anderen Seite agieren jene ideologischen Kräfte, die die Heterogenität einer Gesellschaft für politische Auseinandersetzungen im Sinne ihrer Machtinteressen nutzen, in dem sie soziale Ängste schüren und alten Ideologien propagieren (zum Beispiel: Familien-Modelle aus der Zeit des Wehr-Bauerntums, die sich mit Plakaten mit Motiven der Single-Gesellschaft präsentiert). Sie wehren sich gegen die neuen Technologien, die potentiell mehr Unabhängigkeit bedeuten könnten, so wie sie sich früher gegen die Industrialisierung gewehrt haben, weil sie fürchteten, daß ihnen das Stimmen kosten würde. Und die Folgen ihres Handelns waren im 20. Jahrhundert stets politische Spannungen und auch nicht selten Gewalt und Krieg. Das scheint klar und allgemeinverständlich zu sein und einer breitesten Ablehnung sicher (wie schon damals, als sich die austrofaschistische Regierung bewußt war, daß sie gegen die Bevölkerung regiert). Und dann gibt es die Szene in ,Astoria" von Jura Soyfer, die selbstverständlich mit der Gegenwart nichts zu tun haben können. Der Vagabund Hupka, der den Staat Astoria erfunden hat, tritt vor die Massen und zählt die Fakten auf:
Ganz so ist es heute nicht und wieder doch. Die Fähigkeit zu benennen, mit Sprache Menschen zu erreichen, ist wichtig geblieben. In dieser Nummer werden Sie Beiträge von Zsuzsanna Ghase, Yoko Tawada, Sabine Scholl, Mihály Dés und Dagmar Oswald finden, die nicht dort leben, wo sie geboren sind und über das schreiben, was ihre Themen, ihre Wünsche, ihre Träume, ihre Arbeit und damit ihre Heimat ist, ganz so wie es Hupka im Stück ,Astoria" vorschlägt. Auch bei Hupka ist es das Ländliche, das mit Heimat in Verbindung gebracht wird. Motive der Arbeiterbewegung und der bäuerlichen Arbeit werden verwoben. Und des Vagbundismus, der eine Metapher auf die Stellung der Intellektuellen in der Welt ist:
Soyfer stellt den Prozeß heutiger Nomadisierung, Migration und Identitätsbildung in seiner Komplexität dar und bezieht mit dem Lied die Kunst als ein wesentliches Element ein. In dieser Nummer sind in diesem Sinne daher auch Beiträge dazu zu finden, wie versucht wurde, in Kunst und Forschung zu reflektieren, welche gesellschaftliche Bedeutung Migration hat. Das Werk von Herbert Steiner, dem Gründungspräsidenten der Jura Soyfer Gesellschaft, ist dafür ein Beispiel (und auch sein Nachfolger Ulf Birbaumer, der schon in den 70er Jahre mit seiner Habilitation gezeigt hat, welche Gemeinsamkeiten das vielsprachige Theater in Europa hat). Steiner, der ein Meister des Zusammenführens war, wird heuer vom 13. bis 16.12.2001 ein eigenes Symposion mit Begleitveranstaltungen zum Thema ,Erinnern und Vergessen als Denkprinzipien. Zum Gedenken an Jura Soyfer und Herbert Steiner" im Literaturhaus (Wien) gewidmet werden. Anmeldungen von ReferentInnen dazu können bei der Jura Soyfer Gesellschaft bis zum 31.10.2001 erfolgen. Und im Sinne von Herbert Steiner soll über die Bedeutung des Erinnerns und Vergessens auf allen Kontinenten nachgedacht werden. Einen neuen Zugang zu heutigen Prozessen zeigen auch die Veranstaltungen in Seoul, die von Birgit Mers mann organisiert worden waren, und in Yaounde, die David Simo gestaltet hat. Wichtig auch die Inszenierung, über die Anton Legerer berichtet, sowie etliche der Bücher, die zum Themenkomplex Migration erschienen sind, dessen Kontext schon seit langem die ,Globalisierung" ist. Und noch ein weiterer Aspekt scheint in diesem Zusammenhang wichtig zu sein, der ebenfalls mit einer Strophe eines Liedes aus ,Astoria" bestens zum Ausdruck gebracht wird:
Obwohl das Stück 1937 geschrieben wurde, spricht es genau die Bilder in einer alten Sprache an, die älter ist als die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts, die heute wieder die Menschen bewegen: Welt, Himmel, Geld und das ,Vagabundieren". Die zentrale Kraft des Stückes ist übrigens das Finanzkapital. Und die Börsenmanöver waren damals schon bestimmend. Die Mobilität war noch nicht ganz so gegeben, aber immerhin war Jura Soyfer einer der ersten Jugendlichen, die per Autostop durch Europa reisten. Er selbst hat immer wieder Menschen gefunden, die ihm und seinem Wirken ,die Leiter stellten", auch wenn er sich nicht die große Menge an ,Dukaten" vom Himmel holen konnte. Sich an ihn und sein Werk zu erinnern, ist auf jeden Fall ein Wunsch. Dagegen wird über die ,Heldentaten" der damaligen Zeit genauso geschwiegen, wie auch heute schon wieder am Vergessen gearbeitet wird, wenn es um die heutigen ,Heldentaten" geht. Auch da haben sich die Zeiten nicht geändert. |
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