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Die Kühlschrankrevolution
Editorial
Der Supermarkt
Uta Ackermann und Werner Fritsch im Gespräch mit Herbert Arlt und
Walter Weyers
Die Kühlschrankrevolution
Beiträge von Herbert Arlt (Wien), Gabriella Hima (Budapest), Dagmar
Kostalova (Bratislava), Massud Rahnama (Wien/Teheran), David Simo (Kamerun),
Walter Weyers (Memmingen)
Publikumsdiskussion
Memorandum: Konferenz "Das Verbindende der Kulturen",
Wien 2003
Berichte: Preisverleihung für Soyfer-Ausgabe / Ein Fest
für Jura Soyfer (Hallein) / Kulturforum Hallein / Theater SPIELRAUM
/ Protestsong Contest / "Der Lechner Edi" im Theater Leopoldstadt
/ Ausstellung "Jura Soyfer and his time" / Martkbühne
Berchtesgaden
Rezension: Die Technisierung des Menschen. Zum Stück
"Free speed. ein Kammerspiel für Auto und Holzkabine"
von Christine Velan
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Editorial |
Seit vielen Jahren wird versucht
zu vermitteln, wie bedeutsam Kultur in den heutigen Prozessen ist. Vorläufiger
Höhepunkt ist die Konferenz "Das Verbindende der Kulturen"
vom 7. bis 9. November 2003 im Austria Center in Wien – eine Konferenz
mit 4.000 TeilnehmerInnen aus 70 Ländern, in deren Rahmen auch eine
Ausstellung über Jura Soyfer und seine Zeit zu sehen war.
In den Deklarationen von Nationalstaaten und internationalen Organisationen
hat sich in den letzten Jahren einiges geändert. Mit der Kulturkonvention,
die von der Generalversammlung heuer beschlossen wurde, ist die UNESCO
vorangegangen. In der EU gibt es noch Hindernisse, Kulturforschung als
Kulturforschung zu fördern. Aber das Programm von der European
Research Area eröffnet auch in diesem Zusammenhang neue Möglichkeiten.
Und auch der Europarat hat deutliche Worte gefunden. In Österreich
war es der Bundespräsident, die Stadt Wien sowie eine Vielzahl von
Organisationen, die in vielfältiger Weise die Konferenz unterstützten.
Aber auch die heurige Auslandskulturtagung des österreichischen
Außenministeriums hob die Bedeutung der Kultur hervor.
Dennoch verbleibt wesentliches offen. Dazu ein paar Anmerkungen:
- In der jetzigen Transformationsphase, die oft auch Wissensgesellschaft
genannt wird, sind neue Tätigkeitsstrukturen entstanden. In wenigen
Ländern Europas spielt der Erwerb aus der Landwirtschaft für
den überwiegenden Teil der Bevölkerung eine überragende
Rolle. Auch der Anteil des Erwerbs aus Bergbau und Industrie geht mehr
und mehr zurück. Auf die neuen Verhältnisse haben sich aber
weder Staat noch Parteien, Gewerkschaften, Börse usw. eingestellt.
Es dominieren nach wie vor alte Interessensvertretungsstrukturen, die
es schwer machen, die grenzüberschreitenden sozialen Probleme zu
lösen und neue Wege zu gehen.
- Bereits früh war von den Schriftstellern die Problemlage erkannt
worden. Beim ersten österreichischen Schriftstellerkongress wurde
auf die soziale Position der Schriftsteller hingewiesen. Die damaligen
Erkenntnisse gelten durchaus noch, wenn man zum Beispiel heute die soziale
Lage der TeleworkerInnen analysiert. Ihre Nicht-Integration in den Entscheidungsprozess
zu sozialen Fragen hat zu Problemen und Verschiebungen von Kräfteverhältnissen
geführt. Bis heute stehen klare Positionen in der gesellschaftlichen
Entscheidungsfindung aus. Es wird gekürzt, umverteilt, aber es
gibt keine Strategie, die sich auf die neuen Verhältnisse mehr
als deklarativ einlässt.
- Nicht wenige dieser TeleworkerInnen arbeiten auch in Vereinen. Diese
erscheinen im Budget als Ballast, der soll gekürzt werden. Doch
die Vorgangsweise und die Folgen sind verheerend. Bekannten Wissenschaftern,
denen Titel verliehen werden, die zur Weiterarbeit aufgefordert werden,
wird gleichzeitig das Budget um zwei Drittel gekürzt, wie dies
in einem Fall in Österreich geschah.
- Aber es geht nicht nur um die finanzielle Kürzung. Diese ist
Teil einer falschen Strategie, die nicht nur eine Rekordarbeitslosigkeit
von Akademikern wesentlich mitverursacht hat, nicht nur die Einnahmen
für die Republik und andere Einrichtungen senkt, weil nicht mehr
soviel für KollegInnen weltweit angeboten werden kann. In der finanziellen
Not des Staates werden Briefe versandt, in denen Knockout-Kriterien
genannt werden. Es wird so getan, als ginge es um Qualität und
Effizienz. In Wirklichkeit sind mangelnde Mittel der Hintergrund, die
nicht wirklich mangeln müssten. Es sind falsche politische Entscheidungen,
die dazu führen. Und anstatt das Problem einzugestehen, wird den
Betroffenen noch unnötige Arbeit gemacht.
- Ein weiterer falscher Grundgedanke ist, die Wissenschaft zu instrumentalisieren.
Mit neuen Strukturen (die vor allem neue personelle Besetzungen ermöglichen)
wird versucht, die Wissenschaft zu gängeln. Alle Überlegungen
zur Verwaltung, zur Kontrolle usw. führen aber zu Mehrkosten im
unproduktiven Bereich. Anstatt dass Denken, Kreativität usw. ermöglicht
werden, wird nur die Verwaltung aufgebläht – und zwar auf Kosten
der Vereine, die mehr und mehr Mittel für Verwaltungsvorgängen
aufzuwenden haben. Es werden Strukturen auf den kreativen Bereich übertragen,
die diesem wesensfremd sind.
- Ein Teil dieser falschen Politik ist, die Infrastrukturen der Institutionen
zurückzudrängen und die Auftragsforschung zu verstärken.
Dies führt im Rahmen der EU dazu, dass viele sich die Aufwendungen
nicht leisten wollen oder können, um EU-Gelder zu bekommen. Gerade
im Vorfeld der Erweiterung der Europäischen Union sollte darauf
verwiesen werden, dass diese Form der Forschungsförderung dazu
führt, dass viele strukturell ausgeschlossen werden. Damit wird
die Finanzkraft einer Institution zum Kriterium der Wissenschaftlichkeit.
Und das ist ebenso merkwürdig wie die Tatsache, dass zum Teil mehr
Mittel für die Selektion und Repräsentativität (Vertragsunterzeichnungen)
ausgegeben werden als für die Forschungsarbeit selbst.
- Ein weiterer falscher Ansatz in diesem Zusammenhang ist auch zu meinen,
von Seiten der EU oder des Staates Themen vorgeben zu müssen, weil
die Forschung und Wissenschaft sich sonst verzettle. In den Naturwissenschaften
mag es durchaus angebracht und notwendig sein, Mittel zu konzentrieren.
Gerade kapitalintensive Forschung ist nicht anders zu machen. In den
Geistes- und Kulturwissenschaften bzw. den Humanities ist das kontraproduktiv
und widerspricht grundsätzlich allen Erkenntnissen. In einer hocharbeitsteiligen
Gesellschaft steht vielmehr die Öffentlichkeit, die Pluralität
im Mittelpunkt. Nur deshalb, weil zwei Institutionen über gleiche
oder ähnliche Themen forschen, ist dies nicht verkehrt – dies entspricht
vielmehr einem guten Prinzip. Und Pluralität gerade auch in Institutionen
und Projekten ist nur förderlich. Hier werden grundlegende Fehler
wiederholt, die zum Beispiel Robert Musil im Roman "Der Mann ohne
Eigenschaften" schon eingehend dargelegt hat.
- Diese Zurückdrängung der kulturellen Öffentlichkeit,
die nicht nur demokratiepolitisch problematisch ist (wie auch alle anderen
Maßnahmen vom Zeitschriftenversand bis zu den Pensionsmaßnahmen,
die gerade jene trifft, die meist aus Idealismus heraus sich über
weite Strecken ohne soziale Absicherung in gesellschaftliche Prozesse
eingebracht haben), sondern auch kontraproduktiv im gesellschaftlichen
Leben wirkt. Mit Machtkampf werden keine sachlichen Probleme zu lösen
sein. Die Kultur als Machtfaktor missverstehen und daher zurückzudrängen,
werden alle büßen müssen.
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