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Nr.
2/1997 |
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Elena Viorel (Cluj): George Gutu (Bukarest): Ioan Lazarescu (Bukarest): Lucia Gorgoi (Cluj): Anca Neamtu (Cluj): Mariana Lazarescu (Bukarest): Anatolij M. Naumenko (Melitopol): Dokumentationsgespräch mit Getrude Durusoy (Izmir): Die Putzfrau und die Schauspielerin
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Editorial | Im Gegensatz zu nicht wenigen europäischen Ländern, in denen in den alten Disziplinen eher Zersplitterung denn Zusammenarbeit oder zumindestens gemeinsame Diskussionen zu zentralen Themen die wissenschaftliche Kommunikation charakterisieren, wurde in Rumänien mit der Gründung der "Gesellschaft der Germanisten Rumäniens" (GGR) und ihrem III. (1994) bzw. IV. Kongreß (1997), der Gründung einer Zeitschrift, der Herausgabe diverser Publikationen ein wichtiges, großes Forum geschaffen - sowohl für die Verständigung als auch für die Vertretung gemeinsamer Anliegen. Der IV.Kongreß in Sinaia war sehr breit angelegt (176 im Programm ausgewiesene Referate, von denen die meisten auch gehalten wurden). Eingebunden in den Dialog waren zudem WissenschafterInnen aus zahlreichen Ländern. Bereits dies ist eine großartige (nicht nur organisatorische) Leistung. Während der Konferenz standen Bereiche wie die Rechtschreibreform, methodologische Diskussionen, theoretische und angewandte Linguistik, Literaturwissenschaft, rumänisch-deutsche/österreichische Literatur- und Kulturinterferenzen, Didaktik des DAF-Unterrichts nebeneinander. Selbst eine eigene StudentInnen-Sektion gab es. Wie auch in den USA und anderen Ländern üblich, wurde nicht nur eine Sprache als Konferenz-Sprache verwendet. Die Bedeutung der Kulturen in den heutigen europäischen Prozessen wurde widersprüchlich behandelt, was für die Offenheit der Konferenz spricht (in vielen europäischen Ländern wurde dieser Problemkreis noch nicht einmal thematisiert). Am deutlichsten waren unterschiedliche Positionen zu dieser Fragestellung in den Beiträgen zu Karl Kurt Klein (1897-1971) festzustellen. Nachdem dieser Wissenschafter, der in Rumänien, Ungarn wirkte, seine Laufbahn in Innsbruck beschloß, lange Zeit kein Thema war, die Archiv-Materialien unzugänglich waren, wurden ihm in Sinaia zwei Plenarreferate und eine eigene Sektion gewidmet. Außerdem erschien zur Konferenz eine umfangreiche Biographie, verfaßt von seiner Schwester, Hermine Pilder-Klein, in der sie ihn unter anderem als einen "in den 'Stahlgewittern' eines furchtbaren Kriegs erprobten Christen" charakterisierte. Die Referate reichten von Apologien ("zukunftsweisende wissenschaftliche Arbeit") bis zur Kritik an einem Vertreter der "Epoche der Gewalt", der auch in seiner Innsbrucker Zeit noch biologistische Termini verwendete. Im Abschluß-Plenum wurde dann hervorgehoben, daß in den heutigen europäischen Prozessen eine wissenschaftliche Konzeption, die vom Gegeneinander der Kulturen, der Abgrenzung ausgeht, eben jene Auffassungen des 19. Jahrhunderts prolongiert, die viel Leid über Europa gebracht haben. Diese Konzeption widerspricht auch den tatsächlichen Kulturprozessen, die durch Wechselwirkungen, aber auch Internationalisierungen gekennzeichnet sind. Und vielfältige Beispiele belegen, daß die Grenzen der Kunst nicht die Grenzen von "Nationalstaaten" sind. Eine Darstellung von Nationalkulturen bzw. eine bloße Komparatistik von fiktionalen Nationalidentitäten geht deshalb an ihrem Gegenstand vorbei. Diesem Widerspruchsfeld will sich die rumänische Germanistik mehr zuwenden, und auf der Konferenz wurde es in verschiedenen Sektionen produktiv behandelt. Die rumänischen Germanisten und ihre Kollegen aus zahlreichen Ländern haben sich im Rahmen der Konferenz somit sowohl der Vergangenheitsaufarbeitung als auch der finanzarmen Gegenwart zugewandt sowie (in vielfältigen Bereichen) wichtige Zukunftsfragen angeschnitten. Die Beiträge in dieser Nummer beinhalten einige Aspekte der reichhaltigen wissenschaftlichen Arbeiten in Rumänien. Für eine repräsentative Auswahl müßte wohl ein eigenes Buch zusammengestellt werden. Aber die Beiträge vermitteln zumindestens einen Eindruck von einigen Fragestellungen, Methoden, Ergebnissen. Zur Soyfer-Rezeption in Rumänien hat die Institutsvorständin des germanistischen Institutes in Cluj-Napoca (Klausenburg, Koloschwar) und Übersetzerin Soyfers, Elena Viorel, neue Daten erschlossen. Ihr Interesse gilt sowohl der literarischen Begabung als auch dem politischen Menschen. Gerade heute, da wiederum über Sozialfragen, "Sicherheitssysteme" heftige Auseinandersetzungen geführt werden, sind Soyfers Schriften, die den Weg in die Gewalt darstellen, sich aber gegen Krieg und Gewalt mit modernen literarischen Mitteln wenden, hochaktuell. Soyfers Leben und Werk ist in diesem Sinne eine Kritik an der "Epoche der Gewalt", ein Entwurf für eine kulturalisierte Welt, der nicht Leitlinien eines Parteiprogramms widergibt, sondern in Form und Inhalt über seine historische Zeit hinausweist. In diesem Sinne wird Soyfer aber in einer breiten Öffentlichkeit erst noch zu entdecken sein. Ein Forum für eine solche Entdeckung könnten die Veranstaltungen vom 7. bis 10.12.1997 in Wien zum Thema "Dramatik, 'global towns', Jura Soyfer" sein, an dem sich WissenschafterInnen und KünstlerInnen aus zahlreichen Ländern beteiligen werden. Daß für die Einladung der pariser Aufführung von "Astoria" zur Eröffnung der Veranstaltungen (s. die Rezension zur Aufführung in "Jura Soyfer" 1/97, S.35ff.) "kein Geld" von seiten des wiener Kulturamtes vorhanden sei, ist kein Signal für eine Offenheit bzw. für jene öffentliche Austragung von Konflikten, die über Phantasie und mit Argumenten erfolgen sollte. Eine Absage an Darstellungen von Konflikten, an politische Positionen von KünstlerInnen und WissenschafterInnen, wie dies in einigen Beiträgen zur Kulturdebatte in diesem Sommer in Österreich geschah, vermittelt die Wiederaufnahme von kulturpolitischen Positionen der 20er und 30er Jahre. Offenheit - wie von Boris Marte im "Standard" proklamiert - entsteht nicht durch die Wahl von Formulierungen, durch die Einhaltung von Formalismen und Formalisierungen in der Entscheidungsfindung, sondern nur in der Förderung von Gegensätzlichem. Es ist zu hoffen, daß sich in dieser Absage keine Verengung der wiener Kulturpolitik im Sinne einer parteipolitischen Entkulturalisierung (wie sie Soyfer kritisierte) widerspiegelt. |
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